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Impulse und Andachten aus St. Magni

Magni-Netz-Post

Impulse und Andachten aus St. Magni

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Gegen das Vergessen

Zum 09. November

 

„Das Staunen habe ich von meiner Mutter“, sagt er. „Immer, wenn wir uns alte Gebäude ansahen, sagte sie: Was würden diese Steine alles erzählen, wenn sie könnten?“Wir gehen miteinander durchs Magniviertel, betrachten die alten Fachwerkfassaden. „Weißt du, ich habe das als Kind nicht verstanden. Was sollen Steine schon erzählen? Sie bleiben doch immer stumm. Heute weiß ich, dass meine Mutter nicht auf die Erinnerung der Steine hoffte, sondern ihr eigenes Staunen äußerte. Und ihren Wunsch nach Wissen, was an diesen Orten schon alles geschehen ist, was Menschen hier erfahren haben an großem Glück und tiefem Leid.“

Wir gehen weiter durchs Viertel, biegen in die Kuhstraße ein. Im Fußwegpflaster liegen zwei mattglänzende Steine. Jemand muss die goldene Oberfläche vor kurzem gesäubert haben. Die Schrift ist gut zu lesen: „Hier wohnte Dina Friedmann, geborene Rauchmann, Jahrgang 1879,  deportiert Richtung Osten 1940, für tot erklärt.“ Und auf dem Stein daneben steht: „Hier wohnte Sally Friedmann, Jahrgang 1909, deportiert 1942, tot beim Aufstand im Warschauer Ghetto.“

Zwei mattglänzende Steine erzählen eine ganze dunkle Weltgeschichte. Mehr als einhunderttausend dieser Stolpersteine wurden in den vergangenen dreißig Jahren in Europa verlegt. Der Künstler Gunter Demnig hatte die Idee dazu. Die Steine liegen in normalen Wohnstraßen, in dicht besiedelten Gebieten. Auch in Braunschweig sind es mittlerweile über vierhundert Stolpersteine mit Namen von Menschen, deren Schicksale Braunschweiger Schülerinnen und Schüler recherchiert haben.

Die Stolpersteine liegen gegen das Vergessen im Pflaster unserer Städte. Sie erinnern an das, was damals zu sehen war und viele nicht sehen wollten. Und sie mahnen uns, wie schnell Hass in Zerstörungswut und Mord umschlagen und wie leicht das Wegsehen zum Mitmachen führen kann.

Der Künstler Gunter Demnig erzählt von seiner liebsten Definition der Stolpersteine. Sie stamme von einem Schüler, der von einem Reporter gefragt wurde: „Sag mal, ist das nicht gefährlich, Stolpersteine zu verlegen? Da fällt man doch hin!“ „Nein“, habe der Schüler geantwortet, „man fällt nicht hin, aber man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen.“

Ja, so soll es sein auch heute, an diesem 09. November 2024. 


 

Goldlaub

Zum Christopher Street Day in Braunschweig

 

Kennen Sie das Märchen von Goldlaub? Es geht so: Goldlaub ist das Wunschkind seiner Mutter, der Königin. Dass das Mädchen in seinem Verhalten nicht den gängigen Rollenbildern entspricht, ist der Königin gleich, sie liebt ihr Kind so, wie es ist. Der König hingegen, der nach dem frühen Tod der Mutter allein für die Tochter verantwortlich ist, ist zu dieser Liebe nicht fähig. Dass Goldlaub sich wie ein Junge kleidet, Tag und Nacht draußen umherstrolcht und verschmutzt heimkehrt, missfällt ihm sehr. Darum sperrt er die Tochter in ihr Zimmer ein, lässt sie tanzen statt klettern. Und wann immer Goldlaub ihm zu schmutzig erscheint, muss das Personal das Mädchen sauber schrubben. Schließlich gibt er sogar den Befehl, seine Tochter zu töten. Da flieht Goldlaub aus dem Schloss und lebt fortan bei sieben Weberinnen, die das Mädchen bei sich aufnehmen. Dass die Tochter statt tot zu sein nun in Sicherheit lebt und dabei glücklicher ist als je zuvor, macht den König nur noch zorniger. Immer wieder versucht er, das eigene Kind umzubringen. Nur durch den Schutz der Weberinnen überlebt Goldlaub und findet schließlich Lebensglück.

Die Erzählung von Goldlaub ist Teil der Sammlung „Märchenland für alle“, einem queeren Märchenbuch, das traditionelle Geschichten neu erzählt. Mit dem Ziel, heteronormative Erzählmuster zu brechen und verschiedenste Rollenbilder zu vermitteln. Damit jeder Mensch sich identifizieren kann, mit wem er möchte. Das Märchen von Goldlaub vermittelt zwei Erfahrungen: zum einen, wie schwer es wiegt, von anderen diskriminiert werden, weil man nicht ihrem Bild von Geschlechtlichkeit entspricht; zum anderen, dass es immer auch Menschen geben kann, die zu uns stehen, uns annehmen und unterstützen, ja dass wir immer stärker sind, wenn wir solidarisch miteinander sind.

Das passt gut zum Christopher Street Day, kurz CSD, der heute mit einer langen Parade durch die Braunschweiger Innenstadt zieht. Laut und bunt wird es zugehen und in jedem Fall politisch mit der Forderung, Liebe, Geschlechtlichkeit und Sexualität konsequent im Plural zu denken, bunt und vielfältig eben. Aus der Magni-Gemeinde fährt dabei ein Lastenrad mit, umgebaut zum Segensrad mit einem großen Regenbogen und zahlreichen Segenswünschen an Bord zum Austeilen und Weitergeben.

Und aus dem Braunschweiger Dom, heute in Hörweite des bunten CSD-Treibens, gibt es eine Ermutigung mit auf den Weg, die uns alle stärken kann: „Du sollst so leben und lieben dürfen, wie Gott dich geschaffen hat!“    


 

Gestatten? Gott.

Predigt von Vikarin Lisa Koch am Sonntag Exaudi / Muttertag

 Gestatten? Gott.

„Und Du bist…?“, „Gestatten, Gott. Ich bin der Vater, der Sohn, die Geistkraft, der Tröster. Das Brot des Lebens, das Licht der Welt, die Tür, der gute Hirte, die Auferstehung, die Wahrheit, der Weinstock, die Liebe. Der Heilige, der König, das Lamm, der Retter der Welt. Ich bin der „Ich bin“, ich bin die „Ich bin da.“ Ich hab‘ viele Namen. Such Dir einfach einen aus.”

Vielleicht würde es sich ungefähr so anhören, wenn Gott es mit einer „kurzen“ Vorstellung versucht. Und das ist erst eine ganz kleine Auswahl an Gottesnamen und Gottesvorstellungen aus einer von 66 biblischen Schriften. 2,82% - nach Versen berechnet – macht das Johannesevangelium an der gesamten Bibel aus. Gott könnte also noch Stunden oder wahrscheinlich Tage so weiterreden! Allein die Welt der Psalmen würden wohl für mehrere Stunden ausreichen. Ich bin der Fels, die Sonne, die Burg, die Quelle, …  Eine unendliche Schatzkiste der Gottesnamen, Gottesvorstellungen und Gottesbilder. Sie alle erzählen davon, wie Menschen Gott kennengelernt haben. Wie Gott sich ihnen vorgestellt und gezeigt hat. Sie sind so vielfältig wie die Menschen selbst. So zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Meer.

In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen

Jesus Christus spricht: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.“ Das sagt einer, der Gott gut kennt. Einer, der ganz nah dran ist, der selbst Gott ist. Der die Gottesvorstellungen auf den Kopf gestellt hat. Oder vielmehr vom Kopf auf die Füße. Und alles nochmal ordentlich in Bewegung gebracht hat, als er Mensch wurde. Raus aus dem göttlichen Elternhaus – aber nur zur Zwischenmiete auf der Erde. Einer, der weiß, wie viele Wege dorthin führen, in Gottes Haus mit den vielen Wohnungen. Denn er war von Anfang an Teil dieser göttlichen Wohngemeinschaft. Er kennt alle Mitbewohner*innen in dieser funktionalen WG, in diesem offenen Haus, in dem sie Alles teilen: „Denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen. […] Alles, was der Vater hat, das ist mein.“

Ein Haus mit unzähligen Namen auf den einladenden Klingelschildern. Auf einem davon steht „Gott, Vater“. Ein besonders großes muss es wohl sein, sehr alt auf jeden Fall. Hübsch verziert. Doch der Klingelknopf darunter glänzt hell. Wie poliert von den vielen Fingern, die ihn so oft schon heruntergedrückt haben.

Aber gleich daneben gibt es noch ein uraltes Klingelschild. Eins, das nicht so häufig Beachtung findet. „Gott, Mutter“ steht darauf. Vielleicht lohnt ein Besuch in dieser Wohnung gerade heute am Muttertag? Die Einladung steht jedenfalls. Sie geht raus an alle, denen Gott-Mutter näher ist als Gott-Vater, die gerade eine Mutter brauchen oder jemanden, der versteht, wie es ist, eine Mutter zu sein. Und an alle, die neugierig sein. In liebevollen Worten und Bildern steckt diese Einladung schon zwischen den dünnen Seiten der Bibel:

Im Trostbuch des Propheten Jesaja zum Beispiel ist sie versteckt: „Die ihr von mir getragen werdet von Mutterleibe an und vom Mutterschoße an mir aufgeladen seid.“ (Jes 46,3); „Ich will euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet.“ (Jes 66,13). Aus dem Buch des Propheten Hosea fällt mir diese Einladung entgegen: „Ich war zu ihnen wie eine Mutter, die ihren Säugling an die Wangen hebt. Ich beugte mich zu ihm, um ihn zu füttern.“ (Hos 11,4b) Und im 22. Psalm finde ich sie: „Ja, du hast mich aus dem Mutterleib gezogen. An der Mutterbrust lehrtest du mich Vertrauen.“

Leah Weigand: An die Mütter

Leah Weigand ist Poetry-Slammerin, Spoken-Word-Künstlerin und Krankenpflegerin. In ihrem Buch „Ein wenig mehr Wir. Texte über Menschlichkeit“ hat sie einen Text veröffentlicht, der den Titel „An die Mütter“ trägt (S. 24f.):

Das ist an die Mütter, die das Licht im Flur anmachen
und die Tür einen Spaltbreit offen lassen.
Für die »ungestört« ein fremdes Wort und die Dusche Urlaubsort ist.
An die Mütter, die Schürfwunden reparieren.
Und Fahrräder und gebrochene Herzen.
An die Mütter, die Turnbeutel noch in die Schule bringen.
Die Äpfel schnitzen und Gesichter in Gurken ritzen
und die sagen: »Nimm dir 'ne Jacke mit.«

An die Mütter, die flüstern: »Du bist die Schönste im Saal«,
und die Mütter, die sagen: »Versuch's noch mal.«
An die Mütter, die nicht schlafen gehen,
bis sich die Schlüssel im Türschloss drehen.
Die wach auf ihrem Bett liegen,
als wär's aus heißen Kohlen,
und dann die kotzenden Kinder von der Kirmes abholen.

An alle Mütter
Die die Nacht in der Notaufnahme verbringen
und dabei Conny vorlesen,
die nach einem »Ich hasse dich« weiterlieben - so, als sei nichts gewesen.
An die mit der 168-Stunden-Woche.
An die mit dem Halbtagsjob und der Ganztagsarbeit.

Und an die Mütter im Sorgerechtsstreit.
An die Mütter, die ungefragt ihr Auto verleihen
und dann immer noch eine Schramme verzeihen.
An die Mütter, die kleine Welten
erhellen und prägen,
mit Zeichen, die gelten –
für ein ganzes Leben.
An Mütter, die über Grenzen gehen
und ihre Heimat vermissen,
um neue Zukunft zu sehen,
um ihre Kinder sicher zu wissen.
An alle, die nicht die Mutter sein konnten,
die sie sein wollten, obwohl sie es besser wussten.
An die Mütter, die viel zu kurz Mütter waren
und die wir gehen lassen mussten.
An die Mütter, die ihr Kind verloren haben,
doch trotzdem noch Mütter sind.
Die Mütter, die ihr Kind nicht selbst geboren haben
und die besten Mütter sind.
An die Mütter von ihrem Enkelkind.
An die Mütter, die gleichzeitig Väter sind.
Und die Mütter, die eigentlich Väter sind.
An die Regenbogen-Mütter in bunt.
An die Mütter, die lieben –
ohne Grund.

Gott als eine Mutter, die liebt – ohne Grund. Gott, die das Licht im Flur anmacht und die Tür einen Spalt breit offen lässt. Gott, die gebrochene Herzen repariert. Gott, die immer noch eine Schramme verzeiht. Und Gott, die sagt: „Du bist die Schönste im Saal“ und „Versuchs nochmal!“Ich fühl‘ mich da sehr wohl, in diesem Teil der göttlichen WG.

Natürlich, nichts davon können nur Mütter. All das können alle Elternteile und Herzensmenschen. Mutterschaft ist so vielfältig und offen, wie Familien und Wahlfamilien es schon immer waren. Mütterlich sein, das hat nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun. Aber oft sind es eben bis heute doch noch vor allem die Mütter, die einen großen Teil der unbezahlten Fürsorgearbeit übernehmen. Die da sind, wenn das Kind aus der Schule kommt, die große Gefühle begleiten, die kleine Hände halten, die nebenbei noch lohnarbeiten und die 168-Stunden-Wochen stemmen, die rund um die Uhr für alles sorgen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit stillen, die an ihre Grenzen gehen und deren Tür trotzdem nie verschlossen ist.

Sicher fällt Ihnen noch viel mehr ein, was Mütter täglich tun. Oft selbstverständlich, im Stillen, hinter den Kulissen, obwohl sie schon lange an der Belastungsgrenze sind. Und wofür sie selten Wertschätzung bekommen.

Einladung zum durchklingeln

Auch in der christlichen Tradition war es vor allem das Klingelschild „Gott-Vater“, das Karriere gemacht hat. Mit prominentem Platz in jedem Gottesdienst: „Vater unser im Himmel…“

Umso wichtiger, dass wir uns auch an die anderen Klingelschilder erinnern. Dass wir sie putzen und pflegen. Und neue hinzufügen in die Schatzkiste der Gotteserfahrungen. Für die, denen es wehtut, auf das Klingelschild „Gott-Vater“ zu drücken, weil sie nie einen Vater hatten oder mit ihm nichts Gutes erleben durften. Oder für die, die vor dem Klingelschild „Herr“ zurückschrecken, weil sie unter den selbst ernannten Herren der Welt leiden. Für die, die vielleicht gerade ein Klingelschild brauchen, auf dem steht „Gott-Friedefürst“, weil sie einen Zufluchtsort vor Krieg und Grausamkeit brauchen. Oder „Gott-Tanz“, um ihre Freude mit jemandem teilen zu können. Oder „Gott-Trösterin“, weil die Tränen nicht versiegen wollen.

Jesus Christus spricht: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten.“ So einen Geist der Wahrheit wünsche ich uns. Der uns zeigt: Die Wahrheit und der Glaube an Gott, das ist kein kleines enges Kämmerlein mit nur einem Eingang. Das ist ein großer, weiter Raum mit viel Platz für Abschiede und Neuanfänge. Ein großes Haus mit vielen Wohnungen und Klingelschildern. Und wir sind eingeladen, uns durchzuklingeln und einzutreten. Den Glauben in all seiner Breite und Länge und Höhe und Tiefe mutig zu erkunden und weiterzudenken. Und immer wieder neue Klingelschilder zu entdecken. Neue Einladungen in die unendliche Fülle Gottes, so zahlreich wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meer. Denn Gott hört auf viele Namen.

Vielleicht klingeln Sie sich auch mal durch?


 

Pawels Tagebuch

Zum 08. Mai

 

Pawel ist jetzt 35 Jahre alt. Bis vor zwei Jahren diente er als Fallschirmspringer in der russischen Armee.  Er war mit seinem Regiment am Überfall auf die Ukraine beteiligt. Doch schon nach den ersten Tagen kommen ihm Zweifel an dem, was er tut und sieht.

Er beginnt, Tagebuch zu schreiben. Auf dessen ersten Seiten steht: „Wir hatten kein moralisches Recht, ein anderes Land anzugreifen, schon gar nicht das Volk, das uns am nächsten steht.“ Etwas später schreibt er: „Was ist aus uns geworden? Wir haben uns um nichts geschert. Sie haben Bestien aus uns gemacht.“

Aus Pawels Tagebuch wird schließlich ein echtes Buch. In Hamburg wird es als Theaterstück uraufgeführt. Pawel weiß, dass er in Russland für seine kritische Schilderung ins Gefängnis kommen wird. Also beschließt er zu fliehen. Heute lebt er an geheimem Ort in Frankreich. Er habe, so sagt er, mit seinem Buch der Wahrheit dienen wollen. Die heißt für ihn: „Es hat Wochen gedauert, bis ich begriffen habe - nicht wir sind angegriffen worden, sondern wir haben angegriffen.“

Die Wahrheit ist ein scheuer Vogel. Vor lauten Lügen fliegt sie davon. Die Propaganda eines Krieges ist eine einzige, laute Lüge. Aber nun gibt es eine leise Stimme der Wahrheit. Sie sagt und schreibt, was ist. Am Ende seines Tagebuches schreibt der ehemalige Soldat Pawel: „Wenn ich überlebe, werde ich alles tun, damit die Wahrheit ans Licht kommt.“

Heute ist der 08. Mai. Wir erinnern uns an das Ende des zweiten Weltkrieges vor 79 Jahren. Es war ein Tag der Befreiung von der Nazi-Diktatur, die von Deutschland aus unsagbares Leid über Menschen und Völker gebracht hat. Im Versöhnungs-Gebet der Nagelkreuzgemeinschaft, das hier im Dom auch gebetet wird, heißt es: „Vater, vergib: den Hass, der Menschen von Menschen trennt; Vater, vergib: das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist.“

Oft mit leisen Stimmen, aber immer mit großem Mut und zu ihrer Zeit kommt die Wahrheit ans Licht. „Sie wird euch Menschen frei machen!“, hat Jesus von ihr gesagt. Irgendwann, so hoffen wir, wird der schreckliche Krieg in der Ukraine ein Ende haben oder es wird wenigstens eine Waffenruhe geben. Dann wird die Wahrheit ans Licht kommen, Stück für Stück. Diese Wahrheit macht unser Leben nicht leichter, aber freier. Sie beginnt dort, wo wir anderen sagen: „Du bist nicht mein Feind!“


 

Zweimal ein Held

Zum Florianstag 2024

 

Davyon ist erst elf Jahre alt, aber er ist jetzt schon ein Held. Zwei Menschen hat der Junge aus dem US-Bundesstaat Oklahoma das Leben gerettet - und das an einem einzigen Tag.

Am Morgen in der Schule sieht Davyon zunächst einen Mitschüler, der aus Versehen den kleinen Deckel seiner Wasserflasche verschluckt hat. Nun bekommt er keine Luft mehr und gerät in Panik. Davyon erlöst den Keuchenden. Mit einem beherzten Griff drückt er den Fremdkörper aus dessen Atemwegen heraus. Einmal Held!

Abends dann ist Davyon mit seiner Mutter unterwegs, als er Rauch in einem Haus bemerkt. Er geht sofort näher heran und schlägt Alarm. Fünf Menschen können sich selber aus dem brennenden Haus retten. Nur eine alte Dame, das sieht Davyon, ist wegen ihrer Gebehinderung nicht schnell genug. Der Junge hilft ihr aus dem Treppenhaus. Ein zweites Mal Held! Die Feuerwehrleute staunen nicht schlecht. Ein paar Tage später machen sie den mutigen Jungen zu ihrem Ehrenmitglied.

Zum Helden kann man sich nicht selber machen. Davyon ist einfach aufmerksam und achtet auf andere. Außerdem wolle er später Rettungssanitäter werden, wie er hinterher einer Zeitung erzählt. Und dann sagt er etwas Beeindruckendes: „Ich will nicht, dass ich so viel Aufmerksamkeit bekomme. Ich habe nur getan, was ich tun musste.“

Das ist ein wirklich heldenhafter Satz, finde ich. Ich musste dabei an die vielen Kinder und Jugendlichen denken, die in den Freiwilligen Feuerwehren unserer Stadt zunächst spielerisch und dann immer professioneller an das Handwerk von ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmännern herangeführt werden. Um dann das tun zu können, was getan werden muss, wenn der Alarm zum Einsatz ruft: hingehen und hinausfahren, dorthin, wo andere lieber weglaufen. Um dann im eingespielten Team denen beizustehen, die in Not geraten sind.

Heute ist Florianstag. Als Gedenktag im ökumenischen Festkalender lädt er ein zum Dank an alle Menschen, die sich in Feuerwehren und Rettungs-diensten ehrenamtlich und beruflich engagieren. Die oft wie Davyon nach einem Einsatz sagen: „Ich habe nur getan, was ich tun musste. Nicht mehr.“ Ja, sicher, aber auch nicht weniger. Danke dafür!


 

Nocht verloren

Predigtworte zur Konfirmation 2024

 

Vielen Dank an euch Konfis für Psalmgebet und Bibellesung! Und nun:
eine letzte Predigt hören vor der Konfirmation.

Kapitän!, ruft der Matrose aufgeregt:
Ist eine Sache verloren,
wenn man noch weiß, wo sie ist?
Nein, natürlich nicht!
Na, dann seien Sie ganz beruhigt
über Ihre silberne Teekanne.
Die ist mir eben über Bord gegangen.
Jetzt liegt sie da unten im Meer.

Eine kleine Anekdote,
aufgesammelt und weitererzählt;
eine kurze Szene mit feinem Hintersinn
für diese unruhigen Zeiten, in denen wir leben,
wo vieles von dem, was wir sicher wussten,
in Frage steht, ja vielen längst verloren scheint
im Blick auf Krieg und Frieden und Klimazukunft.
Ist etwas verloren,
wenn man noch weiß, wo es ist?
Nein, natürch nicht!, tönt es vom Steuerrad zurück, wo der Kurs gehalten wird.
Aber dann geht der Blick über Bord, bis auf den Meeresgrund:
Wie tief und weit weg ist eigentlich nicht verloren?

Ist etwas verloren,
wenn man noch weiß, wo es ist?
Frag dich das mal, Mensch,
nicht nur für eine verlorene Teekanne
oder den ganzen anderen Plunder,
der dir so aus der Hand rutschen kann.
Nein, frag dich das mal für die wirklich
großen Dinge im Leben:
unsere Beziehungen etwa,
die sich als feines Netz um uns legen
in den Familien und Freundeskreisen.
Was passiert da, wenn Menschen erst aneinandergeraten
und dann wortlos auseinandergehen;
wenn uns das Wir aus Händen und Herzen gleitet:
Wie weit weg ist dann noch nicht verloren?
Oder fragt euch das für den Frieden,
diesen scheuen Vogel, der vor Hass, Hetze
und Gewalt flieht, den wir nie sicher haben,
der immer fragil bleibt zwischen Menschen.
Wenn der Ruf nach Waffenstärke und Wehrhaftigkeit
immer lauter wird, wieviel Gewicht hat dann noch
die Sehnsucht nach Frieden in uns?

Wie weit weg ist noch nicht verloren?
Fragt euch das mal, ihr Konfis,
heute hier vorne in Reihe eins.
Ihr könnt ja echte Expert*innen für diese Frage sein;
dafür, die Dinge auch mal lange laufen zu lassen -
so weit, dass sie schon fast aus dem Blick sind.
Oft meinen wir Eltern dann ja,
hier sei alles längst verloren, nichts mehr zu retten.
Manchmal hilft uns dann die Erinnerung,
dass wir selbst als Söhne und Töchter eurer Großeltern ja gar nicht anders gewesen sind:
mit ganz langer Leine und laissez faire bei dem,
was eigentlich dran ist oder zu erledigen wäre.

Wie weit weg also ist noch nicht verloren?
Wer mit euch Konfis Zeit verbringen darf,
so wie wir hier in St. Magni für 1 ½ Jahre,
der kann auch eine andere Erfahrung machen;
die nämlich, dass ihr dort, wo die Fragen groß
und grundsätzlich werden, ein ziemliches feines Bewusstsein dafür habt,
wie gut es tut, wenn am anderen Ende der langen Leine,
an der das eine oder andere so vor sich hin schleift, nicht nichts ist,
sondern ein Gegengewicht hängt, das Vertrauen und Hoffnung in euch setzt.
Und ihr kennt das Gefühl von Sicherheit,
das daraus für euer Leben wächst,
das so tief in euch verankert ist,
dass es durch nichts verloren gehen kann.

Und wenn ihr jetzt innerlich gezuckt habt,
als Konfis und erst recht als älter Gewordene;
wenn das Herz einen Moment aufhorcht,
weil ihr dieses Gefühl kennt, dann seid ihr ganz
nah bei dem, was Jesus meint, wenn er sagt:
Alles ist möglich dem, der da glaubt.
Dieser Glaube, von dem Jesus oft geredet hat,
ist immer mehr als bloßes Wissen
oder ein Fürwahrhalten von Glaubenssätzen.
Dieser Glaube ist auf Beziehung aus zu Gott,
der, so verstehe ich Jesus, dein Leben
(und das der anderen) in jedem Moment,
mit jedem Atemzug neu in Bewegung setzen kann.

Diesen Glauben trägt man nicht in einem Köfferchen
bis zum Ende der Welt. Man trägt ihn in sich,
man nimmt ihn in sich mit auf den Weg.
Man lässt ihn bis auf den Grund seiner selbst sinken, bis zu dem Dreh- und Angelpunkt,
in dem sich unser ganzes Selbst dreht.

So beschreibt das die Französin Madeleine Delbrêl.
Sie hat Gott ihr ganzes Leben lang inmitten dieser Welt gesucht und sie hat ihn bei Menschen gefunden,
denen der Glaube längst verloren schien.

Alle Dinge sind möglich dem Menschen,
der glauben kann, der Gott Vertrauen schenkt.
Ich meine: Wir tun miteinander gut daran,
keine Beweise dafür vorzutragen
oder von anderen einzufordern,
warum der Glaube zum Leben notwendig ist.
Wir halten besser nach Dingen Ausschau,
die uns zum Glauben bringen können.

So, wie in jener biblischen Szene mit Jesus,
die wir eingangs gehört haben,
die in den Evangelien erzählt wird:
Jesus wird da gefragt, was denn das Wichtigste
im Glauben sei, der entscheidende Maßstab,
das höchste Gebot in Bezug auf Gott?
Und Jesus antwortet:
Du sollst deinen Gott lieben von ganzem Herzen
und deinen Nächsten wie dich selbst!

So möchte ich an Gott glauben, von Gott reden:
als Lebenskraft, die sich uns Menschen
als Liebe zu erkennen gibt,  die immer neu
den Anfang mit uns sucht, damit durch uns
Gottes Wort in diese Welt gelangt.
Ist etwas verloren,
wenn man noch weiß, wo es ist?
Nein, natürlich nicht!

Das soll auch für euren Glauben gelten:
Gott will sich in euch finden lassen.
Sein Segen sei mit euch
heute und allezeit.
Amen.


 

Am Füreinander wachsen

 

„Man kann bitter werden, oder man wächst.“ Dieser Satz steht am Ende des neuen Buches der Schriftstellerin Elizabeth Strout. „Am Meer“ heißt ihr Roman, der die Geschichte einer Flucht erzählt.

Rückblende: Im März 2020 erhält Lucy einen Anruf von ihrem geschiedenen Mann. Der arbeitet als Wissenschaftler und ahnt, welche tödliche Gefahr vom Corona-Virus ausgehen wird. Er sagt: „Wir müssen New York sofort verlassen.“ Hals über Kopf verlassen sie die Metropole, in der Menschen bald zu Tausenden sterben werden, und fahren in ein Haus am Meer. Vier Wochen wollen sie bleiben, am Ende wird es ein ganzes Jahr.

Es ist ein Jahr voller Sorge, die wir in der Pandemie wohl alle selbst geteilt haben: die Sorge um die Eltern und Partner, die Kinder und Enkelkinder, die Freunde und Kollegen. Lucy und ihr Mann erleben, was alle damals erlebt haben: wie das Leben stillsteht und dann vorsichtig wieder in Bewegung kommt. Manchmal trifft man sich, trägt Maske und hält Abstand zu einander. Und merkt dabei, wie sehr man aufeinander angewiesen ist.

Man dürfe nicht nur mit dem eigenen Kopf denken, sagt die Protagonistin Lucy an einer Stelle des Romans. Man müsse immer auch versuchen, in den Kopf der anderen zu kommen, um sie besser zu verstehen. Bei aller Sorge bleibt am Ende diese Erkenntnis: „Man kann bitter werden, oder man wächst.“

Ja, Sorgen haben Gewicht nach unten im Leben. Sie können auch lästig sein, aber oft halten sie uns auch lebendig. Sorgen haben ihren Wert darin, dass sie uns Menschen helfen, einander im Blick zu behalten, uns umeinander zu kümmern. Denn wer sich kümmert, der verkümmert nicht.

Ich denke, das ist es, was Jesus meint, wenn er sagt: „Sorgt euch nicht um euer Leben!“ Das ist kein Aufruf, einfach nur sorglos vor sich hinzuleben. Nein, es ist ein Wink, auf das Leben anderer zu achten, darin die Schwere, die Last und den Zweifel wahrzunehmen und sich selbst etwas angehen zu lassen. Wer sich um andere sorgt und nicht nur um sich selbst, so verstehe ich Jesus, der behält einen wacheren Blick auf das eigene Leben. Das soll dabei helfen, über eigene Sorgen nicht bitter werden, sondern am Füreinander menschlich zu wachsen.


 

Klopfer oder Nicht-Klopfer?

 

Manchmal entdeckt man ganz unvermittelt etwas Neues an sich. Neulich habe ich gelernt: Ich bin ein Klopfer! Nein, kein Sprücheklopfer (hoffentlich), ganz anders: Ich bin ein An-die-Tür-Klopfer. Ich will erzählen, wie es dazu kam.

Ich musste bei unserer Kinderärztin auf ein Rezept warten. Weil das Wartezimmer schon übervoll war und dort viel gehustet und geschnieft wurde, blieb ich lieber vor der Praxistür stehen. Während meiner Wartezeit kamen etliche Leute, die sich in Klopfer und Nicht-Klopfer aufteilten, bevor sie die Praxis betraten. Das hat ich überrascht, den ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, ohne anzuklopfen einzutreten.

Ich bin also ein Klopfer, wobei es, wie ich einräumen muss, auch für das Nicht-Klopfen gute Gründe gibt: Man treibt so die Mitarbeitenden am Empfang nicht in den Wahnsinn. Die müssten ja sonst ständig „Herein!“ rufen. Allerdings: Auf ein „Herein!“ habe ich noch nie gewartet. Ich klopfe an und trete ein.

Klopfer oder Nicht-Klopfer? Wenn Sie jetzt selbst ins Grübeln kommen, dann nehmen Sie ruhig auch einen biblischen Gedanken mit. Denn einen der schönsten Klopfer-Sprüche gibt es von Jesus selbst: „Klopfet an, so wird euch aufgetan! Denn wer da bittet, der empfängt.“ Das sagt Jesus auf die Bitte seiner Freunde, ihnen doch näher zu erklären, wie das mit dem Beten eigentlich sei. Seine Antwort: Beten ist wie die Tür, vor der du stehst und an die du immer anklopfen kannst, egal wie spät es ist und was du auf dem Herzen hast.

Betet, sagt Jesus, wie ein Mensch, der weiß, dass er Gott zum Nachbarn hat. Der wird nicht zögern, sondern fest damit rechnen, dass sich dieser Nachbar wie ein echter Freund verhält: dass er euer Klopfen hört und euch eintreten lässt, dass er ein offenes Ohr und weites Herz hat, dass er Liebe und Brot zu geben weiß - mehr als genug, damit es auch für andere reichen kann.

„Klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt.“ Und wieder habe ich etwas gelernt: Bei Gott dürfen wir alle zu Klopfern werden.


 

Wintons Liste

Predigtimpuls zum Ende der Epiphaniaszeit

 

Mit achtzig Jahren sitzt Nicholas Winton
in einem Theatersaal in London.
Er sitzt in der ersten Reihe und erlebt
den wertvollsten Moment seines Lebens.
Und das kommt so:

Nicholas Winton ist eingeladen worden.
Jemand hatte ihn gebeten, an diesem Abend
ins Theater zu kommen. Mit seiner Frau Greta.
Er ist völlig ahnungslos. Sie ist eingeweiht.
Nun sitzen beide in der ersten Reihe.
Dann geht ein Sprecher auf die Bühne
und sagt ungefähr diese Worte:
"Meine Damen und Herren,
heißen Sie mit mir Mister Nicholas Winton willkommen,
der hier vorne in der ersten Reihe sitzt.
Er hat 1939, kurz vor Beginn des Krieges
über 600 jüdische Kinder aus Prag
vor den Nazis und dem sicheren Tod gerettet.
Etwa einhundert von diesen Kindern
sind heute Abend als Erwachsene unter uns
und wollen Mr. Winton danken."

Jetzt stehen die etwa hundert Erwachsenen auf.
Und mit ihnen applaudiert das ganze Theater.
Nicholas Winton ist vollkommen überwältigt.
Es ist ein Moment für die Ewigkeit,
von dem auch es ein kleines Video gibt.
Der bristische Fernsehsender BBC hat den Abend
im Theater gefilmt und veröffentlicht.
Und in diesem Frühjahr, Ende März,
kommt die Geschichte von Nicholas Winton
als Spielfilm in die deutschen Kinos -
mit dem Schauspieler Anthony Hopkins
in der Hauptrolle.

Das Besondere an dieser Geschichte ist,
dass Nicholas Winton selbst über vierzig Jahre lang
nie über seine Tat gesprochen hat.
Er half Wehrlosen, den Nazi-Terror zu überleben,
und dann schweigt er über das, was er getan hat;
bis sein Frau Greta Jahrzehnte später alte Unterlagen
auf dem Dachboden ihres Hauses findet.
Ach, soll der stille Held gesagt haben, wirf das weg.
Sie wirft sie nicht weg, sondern macht öffentlich,
was seine Aufzeichnungen belegen.

Ende der 1930er Jahre arbeitet Nicholas
als Makler an der Londoner Börse.
Eigentlich ist er auf dem Weg in den Skiurlaub,
als ein Freund ihn bittet, nach Prag zu kommen.
Dieser Freund arbeitet für das British Committee
for Refugees from Czechoslovakia.
Das Netzwerk hilft Flüchtlingsfamilien,
aus der von Nazi-Deutschland besetzten Tschekoslowakai auszureisen.
Großbritannien nimmt damals auch ungebleitete
jüdische Kinder und Jugendliche auf,
wenn sich eine Gastfamilie für sie findet
und sie 50 Pfund für die Rückkehr vorweisen können -
nach heutigem Wert rund 4000 Euro.

Als Nicholas Winton in Prag ankommt,
begreift er, dass es schnell gehen muss.
Die Zeichen stehen auf Krieg in Europa.
So trägt er Namen und Fotos von Kindern
und Jugendlichen auf einer Liste zusammen
und reist nach Großbritannien zurück.
Dort sucht er Gastfamilien, sammelt Geld,
beantragt Einreisegenehmigungen, fälscht sie,
wenn es ihm zulange dauert.
Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
im September 1939 kann er so insgesamt 669 Kinder
und Jugendliche nach England reisen lassen.
All das ist nun 85 Jahre her, aber es passt,
so finde ich, bestürzend gut in unsere Zeit:
in dieses noch junge Jahr,
das so dunkel und verängstigt und ohnmächtig wirkt,
schon bevor es richtig angefangen hat,
das gerade jetzt von uns allen wache Sinne braucht
gegen die Dunkelmenschen unter uns
und ihre extremen, oft antisemitischen Phantasien.

"Der Gott, der gesagt hat:
Aus der Finsternis soll ein Licht aufstrahlen,
dieser Gott hat uns einen hellen Schein
in unsere Herzen geben."

Das schreibt der Apostel Paulus im zweiten Korintherbrief.  
Er schreibt gegen die Finsterniserfahrungen dieser Welt.
Vergesst das nicht: Noch bevor wir Menschen da waren,
war von Gott her schon etwas da, was gut ist -
und was dieser Welt die Angst nehmen soll.
Die Welt, in die wir kommen und in der wir
miteinander bestehen müssen,
ist nie nur von Finsternis beherrscht.
Ihr ist durch Gott eine Grenze gesetzt.
Das Licht vom Anfang ordnet diese Welt.
Und dieses Licht ist auch in den Menschen,
die Gott gemacht und mit seinem Geist belebt hat.
Das Licht vom Anfang räumt die Welt bis heute auf.
Es leuchtet auch in unseren Herzen.
Gott selbst hat es als hellen Schein dort hineingelegt.

Wer diesen Schein in sich spürt, so verstehe ich,
der kann selbst für andere zu leuchten beginnen.
der kann nicht anders, als sich aufzumachen,
um Licht in dunkle Herzen und Ecken tragen,
und denen entgegenzutreten, deren Denke zurück will
in finsterste deutsche Geschichte.
Der weiß: Nie wieder, das ist jetzt!

"Der Gott, der gesagt hat:
Aus der Finsternis soll ein Licht aufstrahlen,
dieser Gott hat uns einen hellen Schein
in unsere Herzen geben."

So stehen sie da, im Theater:
die damals vier bis siebzehn Jahre alt waren
und heute längst erwachsen sind.
Sie weinen und klatschen.
Sie danken dem Mann, der sie beschützt hat,
der dem Tod widerstanden hat,
der rechtzeitig erkannt hat, was ihm möglich ist:
Geld sammeln, Papiere besorgen und helfen.

Er habe damals nur gesehen, was getan werden musste.
Das lässt der Schauspieler Anthony Hopkins
seinen Helden Nicholas im Spielfilm sagen.
So rettet ein Mann 669 jüdischen Kinder
vor den Nazis und dem wohl sicheren Tod.
Und schweigt darüber dann ein halbes Leben lang.

Ja, da leuchtet er auf, der helle Schein,
den Gott in unsere Menschenherzen gelegt hat.
Er soll auch uns bescheinen.


 

Zwischen den Jahren: "Fürchte dich nicht!"

 

Drei Schwestern leben unter einem Dach. Sie sind zusammen alt geworden. Die jüngste von ihnen ist 87 Jahre alt. Sie sorgt sich darum, wie alles weitergehen kann, denn ihre beiden älteren Schwestern brauchen sie, vor allem die älteste und handfesteste Schwester. Sie ist im Advent schwer erkrankt und dem Tod schon sehr nahe.

Sie sei schon immer etwas ängstlicher und besorgter gewesen als die beiden Großen, erzählt die jüngste Schwester, aber die Familie helfe ja, wo sie kann. Auch mit Ermutigungen besonderer Art. So steht seit Beginn der Adventszeit ein Satz auf allen Spiegeln des Hauses: „Fürchte dich nicht!“ Das habe die Nichte aufgeschrieben als Trostwort und Ermutigung. Wer in den Spiegel sieht, soll nicht nur die Sorgenfalten zählen müssen, sondern auch diesen Mutmacher-Satz lesen dürfen: „Fürchte dich nicht!“ Und dabei schon einmal vorausdenken an Weihnachten mit seiner Botschaft des Engels über den nachtdunklen Feldern Bethlehems: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren!“

„Fürchtet euch nicht!“ Die in diesem Jahr neu gewählte Schleswiger Bischöfin Nora Steen, eine gebürtige Braunschweigerin, schreibt, das seien für sie die drei wichtigsten Worte in der Weihnachtsgeschichte. „Diese Engelsworte sind nicht nur zu den Hirten, sondern auch zu uns gesagt. Wir sind gemeint - auch hier und heute.“

„Fürchte dich nicht!“ Im Haus der drei betagten Schwestern geht es mit diesem Satz Weihnachten entgegen. Und dann am zweiten Weihnachtstag geht es der ältesten Schwester ein wenig besser. Sie kann noch einmal aus dem Bett heraus und in die gute Stube hinein. Dort muss sie feststellen, dass Weihnachten noch gar nicht so recht Einzug gehalten hat. Und ihr erster Satz ist: „Macht doch mal die Kerzen an, es  ist doch Weihnachten!“

So soll das sein mit uns und Weihnachten: Dass wir einander spüren lassen, was in unserem Leben von der Krippe her neu aufscheinen will: Gott legt sich in unser Leben hinein, indem er sagt: „Fürchte das Leben nicht in seinen Widersprüchen und Abgründen, weil ich eben dort zu finden bin.“ Solche Ermutigung tut gut, nicht nur zur Weihnachtszeit. Darum noch einmal hören: „Fürchte dich nicht!“


 

Zu Weihnachten: Zakis Geburt

 

Wenn sie ihm von dem Tag seiner Geburt erzählen,
hört Zaki eine Geschichte aus einer ihm fernen Welt.
Wie soll er, acht Jahre alt, sich auf dem weichen Sofa ihrer Wohnung
in Hamburg auch vorstellen,
dass er als Baby in einem Zelt lag?
Unter eine Kunststoffplane in einem Flüchtlingslager
an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien,
der Heimat seiner Familie.

Zakis Eltern erzählen:
Dass sein Geburtstag ein klarer, kalter Dezembertag war.
Dass man seine Mutter, als die Wehen begannen,
in die kleine Krankenstation des Camps brachte.
Dass sie nach drei Tagen mit ihm, dem Neugeborenen,
in das Zelt zurückkehrte, in dem der Vater,
die fünf Geschwister und zwei Onkel warteten.
Neun Personen, ein Zelt, seit drei Jahren.
Zaki sagt, wenn seine Eltern das erzählten,
habe er dazu keine Bilder im Kopf,
seine ersten Erinnerungen spielen in Deutschland.
Seine Eltern erzählen nicht viel darüber, aber Zaki weiß,
dass der Vater schließlich allein übers Meer aufbrach.
Dass er nach Monaten in Deutschland ankam,
viele Anträge stellte, schließlich bleiben durfte.
Dass er die Mutter, die Geschwister und Zaki nachholte.

Zakis Geschichte hat mich durch diesen Advent begleitet.
Und sie hat mich dabei so festgehalten,
dass ich sie heute Abend erzählen muss.
Denn die für Zaki ferne Geschichte seiner Geburt
ist so nah dran an der Geschichte des Gotteskindes
das am Rande der Welt geboren wird.
Und diese Welt ist zerrissen und unruhig,
kein Ort, an dem Menschen Frieden und Sicherheit
genießen könnten und wüssten, wo sie hingehören.

In diese Welt hinein erzählt der Evangelist Lukas
die Geschichte von der Geburt Jesu.
Und wer der Erzählung von kleinen Gotteskind
in der Krippe nur ein wenig weiter folgt, der muss
mit wachen Sinnen begreifen, wie sehr sich hier
die Flüchtlingsgeschichten unserer Tage widerspiegeln:
Das Gotteskind im Stall von Bethlehem muss,
kaum das es geboren ist, versteckt und heimlich
außer Landes gebracht werden,
weil ihm die Macht nach dem noch jungen Leben trachtet.

Das Schicksal der kleinen Gottesfamilie stößt auch heute Familien zu.
Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie zu diesem Weihnachtsfest.
Es sind 100 Millionen. Und es sind vor allem die Kinder,
die Kleinsten und Schwächsten, die unter den Folgen von Flucht vor Kriegen,
Terror und Katastrophen am ärgsten zu leiden haben.

Das Volk, das im Finstern wandelt,
sieht ein großes Licht, und über denen,
die da wohnen im finstern Land, scheint es hell.
Denn uns ist ein Kind geboren,
ein Sohn ist uns gegeben,
und alle Herrschaft ruht auf seiner Schulter;
und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held,
Ewig-Vater, Friede-Fürst.

So sieht und sagt es der Prophet Jesaja von
diesem Kind, das gerade geboren in der Krippe liegt.
Es soll uns den Blick heben auf unseren Gott,
der sich in Gestalt eines Kindes
Wege zu uns Menschen bahnt.

Mitten in diese Welt hinein, in der so viel Angst
vor Krieg, Krise und Ende zu spüren ist wie nie,
scheint von der Krippe her ein besonderes Licht:
das Licht von Weihnachten,
der helle Stern über dem Stall von Bethlehem,
der Glanz dieses Christuskindes in der Krippe.

Uns ist ein Kind geboren!
Die Angst, dass alles zuende gehen könnte,
mit uns selbst, mit der Welt um uns herum,
diese Endzeitangst beantwortet Gott
mit der Geburt eines Kind,
mit einem neuen Lebensanfang.

Uns ist ein Kind geboren!
Das soll uns mutiger eintreten lassen
für die Würde und den Schutz jedes Menschenleben.
Das soll unser Herz auftun für alle,
die um jede Chance zum Leben bitter kämpfen müssen.
Das soll uns miteinander frei machen
für einen furchtloseren Blick auf unsere Welt.

Jeder und jede von uns sollte heute Abend
diesen Gedanken von der Krippe mit hinausnehmen
dürfen und mit sich weitertragen ins neue Jahr hinein:
Es liegt ganz wesentlich an uns selbst,
ob der Gott des Friedens für andere erfahrbar wird,
ob wir Türen und Herzen verschlossen halten
oder uns auftun und denen zu wenden,
bei denen es lieblos und kalt zugeht.
Ob wir dazu bereit werden, unser Leben zu teilen,
uns von der Not anderer erweichen zu lassen.

Wenn sie ihm von dem Tag seiner Geburt erzählen,
hört Zaki eine Geschichte aus einer ihm fernen Welt.
Wie soll er, acht Jahre alt, sich auf dem weichen Sofa ihrer Wohnung
in Hamburg auch vorstellen,
dass er als Baby in einem Zelt lag?

Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen müssen,
lassen immer ihr altes Ich zurück.
Sie kämpfen darum, aus den Trümmern des alten
ein neues Selbst zusammenzusetzen.
Ich denke, das ist es, was auch Zakis Familie tut.
Und vielleicht hilft seinen Eltern dabei,
dass sie ihren Sohn nicht als Kind der Flucht,
sondern als ein Kind der Ankunft erleben dürfen.

Uns ist ein Kind geboren,
ein Sohn ist uns gegeben,
unsere Zukunft ruht auf seiner Schulter.

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden -
uns allen, an denen dieser Gott Gefallen hat!
 


 

Unterwegs

Zum dritten Adventssonntag

 

Auf einmal hält der Zug.
Unplanmäßig.
Vor den Wagenfenstern ein Bahnhof,
an dem wohl sonst nichts mehr hält.
Unkraut wächst aus den Gleisen.
Ein verwittertes Wartehäuschen.
An dessen Wand ein aufgesprühter Satz.
In großen, roten Buchstaben steht da:
"Gewonnen hat der mit dem größten Grabstein!"

Ein Satz zum zweimal Lesen:
"Gewonnen hat der mit dem größten Grabstein!"
Das ist mehr als ein Witz.
Das ist wohl bissig gemeint:
Was rennst du dich ab im Leben?
Mehr als ein großer Grabstein ist hier nicht zu haben!

Das ist ein merkwürdiger Ort für ein Momento mori.
Da muss jemand nächtens mit Farbe und Pinsel
zu diesem alten Bahnhof gegangen sein,
um dieses Bedenke das Ende! anzuschreiben.
Wer vorbekommt, kann es lesen.
Nein, soll es lesen - und aufmerken:
Denk daran, was am Ende von allem steht.
Denk da mal wieder darüber nach:
wo das alles hinläuft, wenn es nur so weiterläuft.
"Gewonnen hat der mit dem größten Grabstein!"

Es gibt in vielen Lebensgeschichten
so viel Kampf um den richtigen Platz in der Welt.
Es gibt so viele Pläne und Wünschen und Sorgen,
die Menschen sich machen.
Du kannst es weit bringen, ja!
Oder du kommst dir dabei selbst abhanden.
Am Ende wartet doch immer der Grabstein.
Klug ist, wer das nicht vergiss,
sich daran erinnern und davon unterbrechen lässt.

"Du sollst dich selbst unterbrechen …"
So hat es die Theologin Dorothee Sölle
in einem ihrer Gedichte formuliert, das ich sehr mag:

"Du sollst dich selbst unterbrechen

Zwischen Arbeiten und Konsumieren
soll Stille sein
und Freude,
dem Gruß des Engels zu lauschen:
Fürchte dich nicht!

Zwischen Aufräumen und Vorbereiten
sollst du es in dir singen hören,
das alte Lied der Sehnsucht:
Maranata, komm, Gott, komm!

Zwischen Wegschaffen und Vorplanen
sollst du dich erinnern
an den ersten Schöpfungsmorgen,
deinen und aller Anfang,
als die Sonne aufging
ohne Zweck
und du nicht berechnet wurdest
in der Zeit, die niemandem gehört
außer dem Ewigen."

Der Zug steht immer noch.
Ein rotes Signal und rote Buchstaben.
Unkraut zwischen den Gleisen.
Und die Schrift an der Wand:
"Gewonnen hat der mit dem größten Grabstein!"
Das hier, das ist doch wie ein Zeichen.
Ein Wink von weit her:
Vergiss nicht, sagt es, wie und wo alles endet.
Lass dich davon stören.
Unterbrich dich selbst.
Und richte dich neu aus.
Das alles ist Advent!

Als der Zug schon längst wieder fährt,
bleibt die Schrift im Sinn.
Manchmal ist Gott einfach so da.
Tippt dich leicht an -
mit roten Buchstaben und einem roten Signal.
"Du darfst mehr sein als Herrin deines Lebens," sagt er.
"Lass nicht erst deinen Grabstein groß von dir denken."


 

Hoffnung und Leben

 

Die Frage kam überraschend. Und sie hatte es in sich: „Wo wir doch jetzt einigermaßen Bescheid wissen über das Leben - möchtet ihr da eigentlich lieber nicht gelebt haben?“ Alle am Tisch waren plötzlich hellwach: „Nach allem, was ihr jetzt vom Leben wisst - möchtet ihr da lieber nicht gelebt haben?“

Einen Moment war Stille in der Runde, aber dann begann ein lebhaftes Gespräch. Es ging denn hin und her, die Meinungen waren verschieden. Manche erregten sich und sagten, so dürfe man sich nicht fragen. Wir hätten ja schließlich gar keine Wahl. Stimmt, sagten andere, aber solche Gedankenspiele seien doch auch mal ganz schön, um das Leben von allen möglichen Seiten betrachten zu können.

Darum: Nach allem, was du jetzt vom Leben weißt - möchtest du da lieber nicht gelebt haben? Wenn ich mich das heute frage, den fünfzigsten Geburtstag schon ganz deutlich vor Augen, dann sage ich mir: „Nach allem, was ich jetzt vom Leben weiß, möchte ich dieses Leben gelebt haben. Ja, ich würde es wieder leben wollen, mein Leben; alles Schöne genießen dürfen und das Traurige, wenn es nötig ist, tragen müssen. Ich wollte wieder beides erfahren: die Leichtigkeit und die Schwere, die Abschiede und die neuen Anfänge. Und darin lernen, was nur das Leben lehren kann: eine Hoffnung zu haben, die sagt: „Es gibt ein Trotzdem und ein Morgen!“

Ja, ich lebe und ich hoffe gerne: dass etwas gut ausgeht; dass Frieden in dieser taumelnden Welt keine Utopie ist; dass Menschen aus Streit wieder zueinander finden; dass zwei Menschen miteinander in Liebe alt werden können; dass eines Tages, wenn Gott es will, wirklich alles gut wird, was wir selbst nicht zum guten Ende bringen.

Und ich weiß: das alles könnte ich nicht hoffen, wenn ich mein Leben nicht gelebt hätte. Denn Hoffnung hat immer mit dem Leben zu tun. Und mit Gott, der mehr vom Leben weiß als ich; der größer und weiter mit mir denkt, als ich es mir je vorstellen könnte, der mich aus den dunklen Tälern in neue Weite führt. Jedes Mal, wenn ich auf etwas hoffen darf, wird mir ein wenig leichter ums Herz. Und dieses Gefühl allein ist es mir wert, das Leben zu leben.


 

Zahnbürste und Freiheit

 

Ihr halbes Leben habe sie in einer Diktatur gelebt, schreibt die Schriftstellerin Herta Müller in ihrem Buch „Eine Fliege kommt durch den halben Wald“. Dieses halbe Leben war in Rumänien, unter dem Ceausescu-Regime. Herta Müller gehört zur Volksgruppe der „Banater Schwaben“, die einst nach Rumänien ausgewandert waren. Ende der 1980erJahre kam sie nach Deutschland. Hier wurde sie bald zu einer viel gelesenen Schriftstellerin. Im Jahre 2009 erhielt sie den Literaturnobelreis.

In der Zeit der Diktatur in Rumänien habe sie immer eine Zahnbürste in der Handtasche gehabt, erzählt die Schriftstellerin. Jeden Tag konnte man abgeführt und verhört werden. Falls sie dann nicht wieder hätte heimgehen dürfen, war vorsichtshalber die Zahnbürste in ihrer Tasche für den Abend und den Morgen im Gefängnis. Sie sei so etwas wie ein Symbol der Unfreiheit gewesen. Als sie dann 1987 in den Westen kam, war die Zahn-bürste immer noch in ihrer Tasche. Aber nach ein paar Tagen wurde ihr die Handtasche gestohlen. Und als man die Tasche schließlich wiederfand, da war die Zahnbürste nicht mehr drin.

Die Zahnbürste habe ihr, so schreibt Herta Müller, doppeltes Glück gebracht: Sie wurde nie über Nacht im Gefängnis behalten. Und auch der Verlust der Zahnbürste war ein Zeichen des Glücks: In Freiheit brauchte sie keine Zahnbürste mehr mit sich zu tragen: „Wahrscheinlich wusste sie besser als ich, dass das Leben in einer Demokratie immer ein Glück ist.“

Zahnbürste und Freiheit: Das ist ein spannendes Bild für diesen Monat November mit seinen besonderen Gedenktagen: dem 09. November mit seiner Erinnerung an die Schrecken des Dritten Reiches und ihre Folgen, dem Volkstrauertag mit seinem wachsamen Blick für die Opfer von Kriegen und Terror gestern und heute. In allem, was wir in diesen Tagen erleben und erinnern,  brauchen wir ein festes Bewusstsein dafür, wie sehr diese Welt das Andere zum Leben brauchen, das nicht Krieg und Unfrieden, Terror und Gewalt ist, sondern ein Leben Frieden und Freiheit, ein Miteinander in versöhnter Verschiedenheit. Dafür sollten nicht nur unsere Zahn-bürsten stehen: Dass es immer Glück und Grund zur Dankbarkeit ist, in einem Land zu leben, in dem es keine Willkür gibt in Sachen Recht. Gestehen wir es auch denen von Herzen zu, die auf der Suche nach Schutz, Freiheit und Lebensglück zu uns kommen.


 

Zachäus findet das Glück

 

„Es ist gar nicht schwer, einen Menschen glücklich zu machen oder selbst glücklich zu werden.“ Das sagt die Psychologin Muriel Böttger einem Podcast-Interview. Denn Glück habe etwas mit Komplimenten zu tun, die lassen uns innerlich und äußerlich strahlen. Das wiederum kommt von einem Hormon in unserem Körper. Oxytocin heißt es und wird auch das „Glückshormon“ genannt. Wo es ausgeschüttet wird, da wirkt es in unserem Körper so, als würde eine trockene Blume frisches Wasser bekommen. Man blüht ein wenig auf, streckt sich und fühlt ein neue Lebenskraft; vor allem dann, wenn wir gerade innerlich an uns und unseren Fähigkeiten zweifeln. Das Glückshormon Oxytocin mag Komplimente, könnte man sagen. Es mag das Gefühl, wertgeschätzt zu sein.

Darum ist es schade, dass wir Menschen uns oft so schwer tun mit den Komplimenten. Bei vielen geistert scheinbar immer noch im Kopf herum, was man in Kindertagen mal gehört und dann verinnerlicht hat: „Nichts gesagt ist schon genug gelobt.“ Das sei falsch, sagt die Psychologin Muriel Böttger. Denn Lob ist immer wieder nötig und sehr hilfreich. Darum sollten wir alle mehr Komplimente wagen - ehrlich und von Herzen. Denn sie wecken alle Sinne und sind ein Moment des Glücks.

Wie ein solcher Glücksmoment ein ganzes Leben verändern kann, erzählt die Bibel mit einer wunderbaren Geschichte: In der Stadt Jericho sitzt der Zöllner Zachäus auf einem Baum. Er sitzt dort, weil er klein ist und dennoch Jesus sehen will, der durch seine Straße kommen soll. Das gelingt ihm. Aber noch schöner ist, was dann geschieht: Jesus bleibt stehen und sieht zu ihm, dem Außenseiter, den keiner mag, hinauf und sagt: „Zachäus, steigt vom Baum herunter. Heute muss ich in deinem Haus einkehren!“

Zachäus kann sein Glück kaum fassen: Jesus sieht nicht an ihm vorbei, er sieht ihn nicht schräg an, sondern will bei ihm zu Gast sein! Vor lauter Glück wächst Zachäus über sich hinaus: Er zahlt denen zurück, die er betrogen hat, und er spendet viel Geld an die Bedürftigen. Zachäus ist so überwältigt, könnte man sagen, dass er sein Glück nicht für sich behalten kann. Es ist schön, das Glückshormon Oxytocin bei der Arbeit zu sehen, oder? Komplimente schenken uns allen solche Glücksmomente. Darum sollten wir nicht an ihnen sparen.


 

#ausLiebe

 

Es ist das Jahr 1832. Die Industrialisierung hat die deutschen Staaten fest im Griff. Sie treibt die Menschen in Scharen vom Land in die Städte und dort in große Armut. Kinderarbeit ist keine Seltenheit. Viele treiben sich auf den Straßen herum und haben kein Zuhause.

In Hamburg verschlägt es den jungen Pfarrer Johann Hinrich Wichern in den Stadtteil St. Georg. Das Elend dort erschüttert ihn. Er selbst kommt aus einem christlich-bürgerlichen Elternhaus. Weil sein Vater früh gestorben ist, weiß Johann Hinrich, wie schnell Menschen unverschuldet in soziale Not geraten können. Und er erkennt, wie eng Armut und Verrohung zusammenhängen. Dass Menschen, die Hunger leiden, sich einfach nehmen, was sie brauchen, das leuchtet ihm sofort ein. Und es treibt ihn um: Irgendjemand auf dieser Welt muss doch dafür sorgen, dass diese Not ein Ende hat, ja dass sie überhaupt nicht erst entsteht.

Aus zwei Grundsätzen heraus schreitet Wichern selbst zur Tat. Der erste lautet: Der Glaube kann nicht ohne Taten bleiben. Und der zweite: Für jeden Menschen gibt es Hoffnung. So gründet er das Rauhe Haus. 120 Hamburger Jungen und Mädchen sollen hier ein Zuhause finden, Erziehung und Ausbildung erhalten. Jeden seiner Zöglinge begrüßt Wichern mit folgenden Worten: „Sieh um dich her, in was für einem Haus du aufgenommen bist. Hier ist keine Mauer, kein Graben, kein Riegel, nur mit einer schweren Kette binden wir dich hier, … diese Kette heißt Liebe und ihr Maß ist Geduld. Das bieten wir dir, und was wir fordern, ist zugleich das, wozu wir dir verhelfen wollen, nämlich dass du deinen Sinn änderst und fortan dankbare Liebe übest gegen Gott und den Menschen.“

Zugegeben: Die Sprache Wicherns stammt aus einem anderen Jahrhundert, aber der Grund, aus dem er steht, trägt auch heute noch unsere Kirche und ihre Diakonie: Weil Gott Liebe ist, wird dieser Gott überall dort erfahrbar, wo wir Menschen uns einander in Liebe zuwenden. Gottes Liebe sucht Menschen, die sich selbst zurücknehmen, um auf andere zu achten; Menschen, die ein Gefühl dafür haben, was anderen fehlt, und die aus Liebe alles daransetzen, dass die Not anderer kleiner wird. Noch einmal Johann Hinrich Wichern: „Die Liebe gehört mir wie der Glaube!“ Ja! Und von beiden gilt: sie werden nicht weniger, wenn man sie mit anderen teilt.


Mehr Informationen zur Woche der Diakonie finden sich hier.


 

Der Preis für das Recht

 

Vor acht Wochen, Anfang Juni, wurde er 47 Jahre alt: der russische Häftling und Gegner von Präsident Putin, Alexej  Nawalny. Als man an ihm vor drei Jahren einen Giftanschlag verübte, überlebte er nur dank der Ärzte in der Berliner Charité. Er hätte anschließend nicht nach Russland zurückkehren müssen. Er tat es trotzdem - wohl wissend, dass er dort verhaftet und verurteilt werden würde. Seitdem sitzt Alexej Nawalny als politischer Gefangener in einem russischen Arbeitslager. Viele Menschen haben sich damals gefragt, warum Nawalny freiwillig nach Russland zurückgekehrt ist.

Er selbst sagt, er habe sich diese Frage auch gestellt - damals und heute. Darum ließ Alexej Nawalny rund um seinen Geburtstag folgende Antwort durch seine Anwälte veröffentlichen: „Natürlich wünschte ich, ich müsste nicht in diesem Höllenloch aufwachen und könnte stattdessen mit meiner Familie frühstücken, von meinen Kindern Küsschen auf die Wange bekommen, Geschenke auspacken und sagen: ‚Genau davon habe ich geträumt!‘ Aber das Leben funktioniert so, dass gesellschaftlicher Fortschritt und eine bessere Zukunft nur erreicht werden können, wenn eine bestimmte Anzahl von Menschen bereit ist, den Preis für ihr Recht auf Glauben zu zahlen. Je mehr solche Leute es gibt, desto weniger muss jeder bezahlen.“

Mich haben diese Worte sehr beeindruckt, vor allem aber der unbedingte Mut dahinter, für seinen Glauben an Recht und Gerechtigkeit politische Verfolgung zu erdulden und bis ins Gefängnis zu gehen. Ich muss dabei an einen Satz denken, den Jesus in der Bergpredigt sagt: „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich." Auch das sind Worte wider allen Augenschein. Denn sie verbinden die mühsamen und leidvollen Erfahrungen von Menschen mit einer vollkommen anderen Hoffnungsperspektive: Alle, die zu sich und ihrem Weg stehen, die ihr Gewissen nicht preisgeben, sollen sich von Gott gehalten und begleitet wissen, sagt Jesus. Es gibt bei Gott eine andere, tiefere Art von Gerechtigkeit. Sie wird denen zu teil werden, die es schwer haben, obwohl sie das Gute wollen. Über denen, die Unfreiheit erleiden, soll der Himmel offenstehen!

Noch einmal Alexej Nawalny: „Ganz sicher wird der Tag kommen, an dem das Sprechen der Wahrheit und das Eintreten für Gerechtigkeit in Russland etwas Alltägliches und überhaupt nichts Gefährliches sein wird.“ Ja, so wird es sein!


 

 

Freude schwerelos

 

Frieda liebt ihren neuen Lift, erzählen ihre Eltern. Sie strahlt, wenn der Aufzug mit ihr hinauf oder hinunter fährt. Lachen kann Frieda wunderbar, sprechen kann sie nicht. Seit ihrer Geburt ist sie körperlich und geistig schwerstbehindert. Weil sie nicht laufen kann, muss sie getragen werden. Das machten ihre Eltern immer selbstverständlich über die Stockwerke im Haus.

Aber jetzt, mit acht Jahren, wird Frieda zu schwer. Daher wünschen sich die Eltern einen Aufzug vor ihrem Haus in Mittelfranken. Der kostet viel Geld, etwa um die hunderttausend Euro. So viel hat die Familie nicht, aber sie hat eine Idee: Sie dreht einen kleinen Film und zeigt den im Internet. Bitte, sagt sie dazu, bitte helft uns und Frieda!

Was dann geschieht, hat alle überwältigt: Viele Menschen spenden - aus Deutschland und sogar aus Südafrika und Los Angeles. Zu den Einzelspenden gibt es auch noch einige Zehntausend Euro von einer privaten Stiftung. So kann der Lift bestellt und direkt vors Haus gebaut werden. Und Frieda liebt ihren neuen Lift. Sie liebt es, wenn er sie mühelos herauf und herunter hebt. Vielleicht spürt Frieda dann, wie leicht und schwerelos sie sein kann.

Genau dieses Gefühl wünsche ich uns allen öfters mal: eine schwerelos Freude; immer dann, wenn die Welt so trostlos und erdenschwer erscheint, dass es uns eigentlich nur ins Bodenlose drücken kann: Was kannst du da schon tun?

Manchmal müssen wir gar nichts tun oder reden. Manchmal sollten wir einfach nur da sein und andere wahrnehmen. Und wenn es einmal um etwas Geld gehen sollte, gelingt das vielleicht auch. Es geht dabei nie um die ganze Welt. Es geht immer um diese eine Not, bei der wir vielleicht etwas tun oder bewirken können.

Jesus hat dazu einmal etwas herrlich Ungewöhnliches gesagt: „Wenn nur ein gebeugter, verlorener Mensch gefunden wird oder wenn er sich finden lässt, dann geschieht etwas Wunderbares“, sagt Jesus: „Dann ist Freude vor den Engeln Gottes!“ Ich bin mir sicher: Wenn Frieda jetzt in ihrem neuen Aufzug fährt, dann freuen sich mit ihr alle Engel - zuhause und im Himmel.


 

 

Mireks Mama

 

Sein Gesicht leuchtet, als er in die Fernsehkamera spricht. Mirek ist 63 Jahre alt, stammt ursprünglich aus Polen und lebt seit vielen Jahren in Deutschland. Jetzt spricht er in die Kamera und erzählt von der Krankheit seiner Mutter, die an Demenz leidet. Ihre verwirrten Sinne haben auch sein Leben stark verändert. Es habe etwas gedauert, sagt Mirek, aber nun hätten sie sich miteinander eingespielt.

Da kommt seine Mutter aus dem Nebenzimmer: eine kleine Frau, die etwas scheu wirkt. Sie weiß nicht recht, was das alles zu bedeuten hat. Aber ihr Sohn ist da, nimmt sie an die Hand und beide setzen sich auf ein Sofa. Plötzlich fängt Mirek zu singen an. Auf Polnisch, seiner Muttersprache. Und was geschieht? Seine Mutter stimmt ein, sing mit, kennt jedes Wort. Auch wenn ihre Sinne verwirrt sind, die Lieder sind wohl noch am rechten Ort, an dem sie von Kindheit an waren. So singen Mutter und Sohn. Hand in Hand und aus vollem Herzen. Als das Lied zu Ende ist, da fehlen der alten Frau wieder die Worte. Dafür spricht Mirek: „Oft weiß sie nicht genau, was ist und wo sie ist. Dann bin ich da und helfe ich ihr, auch mit meinen Worten.“

Jeder, der diese kleine Szene sehen darf, ahnt es sofort: Es gibt ein Verstehen jenseits der Worte, eines aus Zuneigung und Geborgenheit. Mireks Mama fühlt, dass sie bei ihrem Sohn gut aufgehoben ist, dass ihr Junge sie nicht zurechtweist und sie nicht andauernd verbessern will. Er teilt ihre verwirrte Welt und hilft ihr, wenn sie nicht mehr weiterweiß. Sie erinnert vieles nicht, aber sie hat ein Gefühl von Sicherheit in der Nähe ihres Sohnes.

Auch die Bibel als Buch unseres Glaubens kennt dieses höhere Verstehen, aus dem heraus sich Menschen sicher und geborgen fühlen. Besonders schön spricht davon ein altes Gebet aus dem 91. Psalm: „Es soll dir kein Übel begegnen und keine Plage wird sich deinem Haus nähern. Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“

Fast wirkt das so, als sich Mirek und seine Mama vom Fernsehteam verabschieden. Am Ende des kurzen Filmbeitrags stehen sie vom Sofa auf, der Sohn nimmt die Hand seiner Mutter und führt sie zur offenen Zimmertür. Entschlossen geht die alte Frau hindurch mit Mirek als ihrem Engel an der Hand.


 

 

Wunder der Bewahrung

 

Manchmal gibt es Geschichten, die erzählen von einem echten Wunder, so wie diese: Friedrich und Levert sind Zwillinge, von Geburt an unzertrennlich, wie ihre beiden Töchter erzählen. In ihren 99 Lebensjahren haben die beiden nur einen Geburtstag nicht zusammen gefeiert. Das war im Zweiten Weltkrieg; da lag Friedrich im Lazarett, während Levert an der Front war.

Die Zwillinge haben sich ein ganzes Leben lang blind vertraut und immer in der Nachbarschaft gewohnt. Zusammen mit ihren Ehefrauen wurden sie von anderen im Dorf das „Kleeblatt“ genannt, weil sie meist zusammen gesehen wurden. Es heißt, niemand könne sich an einen Streit der beiden Brüder erinnern.

Und dann sterben die beiden Hochbetagten an demselben Tag, innerhalb von einer Stunde; der eine zuhause und der andere im Krankenhaus. „Der Fritz ist schon mal vorgegangen“, hat die Tochter im Krankenhaus zu ihrem Vater gesagt. Kurz darauf sei auch Levert gestorben. Als könnten die beiden Zwillinge die Welt ohne einander nicht ertragen.

Ja, so etwas gibt es. Es sind kostbare Geschichten, „Wunder der Bewahrung“ könnte man sie nennen. Es gibt etliche davon: Kinder wachsen auf und sind stets fröhlich und gesund; Großeltern sind ein Glück und kümmern sich um die Enkelkinder, wo es geht; Menschen arbeiten voller Freude in ihrem Beruf, sorgfältig und umsichtig; andere tun alles für die Versöhnung von Menschen oder helfen ihnen, zu Trost und Ruhe zu finden. Oder Menschen finden ineinander die große Liebe des Lebens.

Das alles sind Wunder, die man leicht übersehen kann. Das sollten wir aber nicht, denn keines dieser „Wunder der Bewahrung“ ist ja selbstverständlich. Wir können wenig oder nichts dafür tun, behütet und beschützt zu sein. Und es gibt Geschenke im Leben, die sehen so gewöhnlich und alltäglich aus, dass man erst beim genauen Hinsehen und Nachdenken erkennt: nichts davon könnten wir uns verdienen und garantieren; die Liebe anderer nicht, ihre Zuneigung nicht, auch nicht ihr Vertrauen.

Wer das für sich erkennt, der blickt dann und wann vielleicht einfach zum Himmel und sagt ganz leise „Danke, Gott! Danke, dass du mich beschenkt hast und vor so vielem bewahrst.“ Oder in viel schöneren, biblischen Worten: „Gutes und Barmherzigkeit folgen mir mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause Gottes immerdar.“

 

 

Was lässt du dich die Welt angehen, Mensch?

Zum 21. Juli 2023

 

Zwei Männer sitzen auf einer Bank im Park. Fragt der eine:
"Wenn du Gott eine Frage stellen könntest, was würdest du ihn fragen?"
Sagt der andere: "Warum Gott all das Leid auf der Welt zulässt!"
Darauf der erste: "Und warum machst du es nicht?"
"Weil ich Angst habe, dass er mich das Gleiche fragt!"

Manche Geschichten, so kurz sie auch sind,
treffen genau auf den Punkt, legen den Finger
dorthin, wo schon die erste Frage
und dann erst recht das Nachdenken wehtut.
Wer trägt Verantwortung für diese Welt?
Was hast du, Mensch, zu tun mit all dem Leid:
den Kriegen und Konflikten im Großen,
den Auseinandersetzungen im Kleinen,
den ungleichen und ungerechten Lebenschancen,
den fast zweitausend verstorbenen Drogen-
gebrauchenden des vergangenen Jahres,
deren Zahl sich in einer Dekade verdoppelt hat?

"Wenn du Gott eine Frage stellen könntest,
was würdest du ihn fragen?
Warum Gott all das Leid auf der Welt zulässt!
Und warum machst du es nicht?
Weil ich Angst habe, dass er mich das Gleiche fragt!"

Auch dieser 21. Juli legt als Gedenktag
seinen Finger dorthin, wo es uns
schon beim Hören wehtun muss:
Drogentod ist Staatsversagen!
Ja, das ist wirklich zugespitzt formuliert!
Aber so trifft es den wunden Punkt:
Was lassen wir uns diese Zahl angehen lassen,
1.990 verstorbene Menschen:
Junkies, Ehemalige, Substituierte.
Menschen, die mehr sind als Zahlen einer Statistik;
Menschen mit Namen und Geschichten,
mit geraden und, ja, vielen krummen Lebenslinien,
mit Wegen zwischen Sehnsucht und Sucht.
1.990 Freund*innen, Söhne und Töchter,
Klient*innen, Patien*innen?
Ich denke, dazu ist dieser 21. Juli da:
Damit wir nicht blind werden für das Schicksal
von Menschen, deren Namen wir heute erinnern.
Damit wir uns nicht taub stellen für die Frage,
was sie uns angehen, wo wir miteinander
als Gesellschaft Verantwortung tragen.

"Wenn du Gott eine Frage stellen könntest,
was würdest du ihn fragen?
Warum Gott all das Leid auf der Welt zulässt!
Und warum machst du es nicht?
Weil ich Angst habe, dass er mich das Gleiche fragt!"

Wer dort nicht wegsieht, wo andere Hilfe brauchen;
wer alles daran setzt,
anderen Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu ermöglichen,
der muss den Himmel nicht fürchten,
der darf Gott mitten im Leben mit Liebe
und Verantwortung an seiner Seite wissen.


Mehr zum Gedenktag 21. Juli hier.


 

Unschuldig

 

Fast 33 Jahre hat Daniel Saldana aus Kalifornien gegen einen Albtraum gekämpft. Im Jahr 1990 wurde er zu einer Gefängnisstrafe von 45 Jahren verurteilt. Mit einigen Mitverurteilten soll er auf Schüler einer Hochschule geschossen haben. Seit Beginn der Gefängnisstrafe beteuerte Daniel seine Unschuld. Niemand wollte ihm glauben. Nur seine Familien hielt immer zu ihm.

Vor fünf Jahren dann gab einer der Mitverurteilten zu Protokoll, Daniel sei damals nicht dabei gewesen, als die Schüsse fielen. Das Protokoll existiert, aber es wurde von niemandem beachtet oder weitergeleitet. Erst im Februar dieses Jahres nahm eine Justizbehörde in Kalifornien davon Kenntnis. Und dann ging es schnell: Es kam zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Zeugen und Mitverurteilte sagten erneut aus. Und es stellte sich klar heraus: Daniel Saldana war nie am Tatort. Der heute 55-Jährige hatte 33 Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen. Bei seiner Freilassung sagt er: „Es war ein Kampf, jeden Tag aufzuwachen in dem Wissen, dass du unschuldig eingesperrt bist."

Kann es etwas Schlimmeres geben, als unschuldig angeblich schuldig zu sein? Wohl kaum. Obwohl Daniel jetzt eine hohe Entschädigung erhält, gibt ihm das keine Lebenszeit zurück. Er sei dankbar, am Leben zu sein, sagt er und freut sich auf seine Familie - und die sich auf ihn.

Mit dem Wort Schuld sollten wir sehr vorsichtig sein. Das lerne ich aus der Geschichte des Daniel Saldana. Es gibt Schuld, natürlich, und nicht jeder, der beteuert unschuldig zu sein, ist es auch. Aber umgekehrt gilt: Nicht alle, die beschuldigt werden, sind auch schuldig! Selbst Gerichte und Sachverständige können irren, jahrzehntelang. Dann bescheren sie Menschen wie Daniel einen Albtraum.

Es ist gut, dass wir einen Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten haben. Das bewahrt vor Willkür und straft Schuldige. Es bewahrt aber nicht vor Irrtümern. Womöglich war das der Grund, warum Jesus mit jeder Verurteilung sehr zurückhaltend war. „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein", soll er gesagt haben. Ich höre diesen Satz als ernste Bitte um Zurückhaltung bei jeder Art von Verurteilung. Vorwürfe sind schnell gemacht; ein genauer Einblick aber und ein Verstehen des Geschehenen erfordern Zeit und sind manchmal anstrengend. Aber weil wir selber wohl nie frei von Schuld sind, müssen wir uns diese Zeit des Überlegens und Abwägens nehmen. Und schon beim leisesten Zweifel muss gelten: Im Zweifel für die Unschuld!


 

Voller Kopf, leeres Herz

 

„Wir informieren uns zu Tode" lautet der Titel eines Buches, das der bekannte Neurobiologe Gerald Hüther gemeinsam mit dem Fernsehjournalisten Robert Burdy geschrieben hat.* Was die beiden Autoren dabei umtreibt, beschreiben sie so: „Wir leben in einem Zeitalter der Verwirrung, das alle Anstalten macht, die freiheitlichen Demokratien in ihren Grundfesten zu erschüttern." Durch die Vielzahl der Informationen, die täglich verfügbar sind, und dem Drang vieler Menschen, immer auf dem neuesten Stand zu sein, entstehe oft ein heilloses Durcheinander, in dem bisweilen kaum noch überschaubar, was richtig sei und was nicht.

Das Buch trifft einen wunden Punkt unserer Informationsgesellschaft: In der Flut der Nachrichten, die alle gleich wichtig sein wollen, wird der Kopf immer voller - und das Herz zugleich oft leerer.

„Natürlich brauchen wir die Kompetenz des Wissens“, sagt der Biologe Hüther, „aber wir müssten sie mit einer ebenso wichtigen Kompetenz verbinden. Ich nenne sie unsere Berührbarkeit." Ich verstehe den Wissenschaftler so: Die Nachrichten unterstützen uns - im besten Fall - beim genauen Wissen über die Vorgänge in der Welt. Sie lehren uns aber nicht das Fühlen. Das müssen wir für uns und miteinander tun. Wir unterstützen uns darin, berührbar zu bleiben für die Nöte und Sorgen anderer. Wissen tut not, ja, aber das Gefühl tut es auch. Nur beides zusammen ergibt Leben!

Dazu passt ganz gut ein Satz aus der Bergpredigt. Jesus sagt dort: „Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen." Ich denke, dieses Versprechen Jesu will uns an unsere Berührbarkeit erinnern und auch daran, dass wir keine „Entherzung“ unseres Denkens zulassen dürfen.

Oder anders gesagt: Das Herz darf nicht leer werden bei der Fülle der Nachrichten. Unsere Seele erstarkt nicht durch mehr Wissen, sondern durch mehr Mitgefühl. Und dieses Mitgefühl kann uns schützen vor allem todsicheren Wissen dieser Welt.

* Gerald Hüther und Robert Burdy, Wir informieren uns zu Tode, Herder-Verlag 2022


 

Gott in Beziehung

Zum Trinitatisfest

 

„Sag: Wie hältst du’s mit der Trinität?“ Dieser Frage widmet sich passend zum Trinitatisfest am vergangenen ersten Junisonntag eine aktuelle Umfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA. Mit einem überraschenden Ergebnis, wie ich finde: Knapp ein Drittel der Deutschen glauben, dass Gott zugleich Vater, Sohn und Heiliger Geist ist. Ein weiteres Drittel glaubt nicht daran. Und ein drittes Drittel ist eher unschlüssig in Bezug auf diesen zentralen christlichen Glaubenssatz. „Also sag: Wie hältst du’s mit der Trinität?“ Zu welchem Drittel gehören Sie?

Versuche, diesen Glaubenssatz anschaulicher oder begreifbarer zu machen, gab und gibt es viele: Da ist das Bild von der Wurzel, dem Stamm und den Zweigen eines Baumes; oder das von den drei Kerzen, die mit einer einzigen Flamme brennen. Und es gibt die Legende vom Heiligen Patrick, dem ersten Missionar Irlands. Der soll einmal gesagt haben, mit der Dreieinigkeit Gottes sei es wie bei einem Kleeblatt: Das habe drei Blätter und bilde dennoch eine Einheit.

All diese Versuche haben eines gemeinsam: sie lüften zwar das letzte Geheimnis über Gottes Wesen nicht, aber sie zeugen vom Bemühen, Gott zu erkennen, von ihm zu erzählen, so gut das mit menschlicher Vorstellungskraft und menschlichen Worten eben geht. Auch ich will das versuchen: Drei Erfahrungen können Menschen mit diesem Gott machen: Schöpfer wird er genannt - soll heißen: Auf ihn geht alles zurück; die Welt, die Natur, unser Leben darin: das alles ist Schöpfung. Und: Mensch ist er geworden. Das meint: Gott steht an unserer Seite. Und zum Dritten ist er der Geist der Liebe, der alles im Innersten zusammenhält. Das ist der Dreieinige Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Ein Gott in Beziehung, der nicht für sich sein kann und will. Niemand ist von seiner Gegenwart ausgeschlossen.

Man kann diesen Gedanken noch einmal anders weiterdenken im Bild des Heiligen Patrick: Kleeblätter sind ja dann besonders wertvoll, wenn sie nicht nur drei, sondern sogar vier Blätter haben. Ein schönes Bild für den dreieinigen Gott, dessen Liebe uns Menschen als Vierte im Bunde sucht und findet.


 

Kayzen fühlt mit

 

Kayzen ist acht Jahre alt und lebt in den USA. Ihr Sohn sei ein aufgewecktes, pfiffiges Kerlchen, sagen seine Eltern, aber diese Idee habe selbst sie überrascht. Doch der Reihe nach erzählt:

Einmal in der Woche geht Kayzen mit seinen Eltern zum Frühstück in ein Waffelhaus. Dort werden sie schon seit einer ganzen Weile vom selben Kellner bedient; ein fröhlicher und positiver Mensch, mit dem man gerne ist Gespräch kommt. Eines Tages erfährt Kayzen dabei, dass es dem freundlichen Kellner eigentlich gar nicht gut geht. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in einem engen Hotelzimmer neben einer Autobahn. Außerdem muss der Kellner täglich zu Fuß zur Arbeit kommen, weil das Geld für den Bus fehlt.

Da hat Kayzen eine Idee, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Schließlich überzeugt er seine Eltern - und dann starten sie gemeinsam eine Spendenaktion: zuerst im Freundeskreis, dann in der Nachbarschaft und unter den Gästen im Waffelhaus. Auch die örtliche Zeitung hilft mit, Kayzens Idee zu verbreiten, und bitte die Leser um Hilfe. Sie hätten auf 5.000 Dollar gehofft, erzählt die Familie, und bekommen am Ende fast 50.000 Dollar zusammen. Als die Zeitung dem Kellner das Geld überreicht, ist der den Tränen nahe und sagt: „Es ist einfach ein Segen. Danke für so viel Mitgefühl!"

Alles beginnt mit einem aufmerksamen Achtjährigen, der wahrnimmt, dass hinter der fröhlichen Fassade „seines Kellners“ die Not groß ist und Hilfe braucht. Kinder brauchen es, dass ihre Welt möglichst heil ist: dass sich Mama und Papa vertragen, Oma nicht allein ist und Opa bald wieder gesund wird; dass niemand auf der Straße oder in viel zu kleinen Zimmern hungern oder frieren muss. Wie gut, wenn es in dieser Welt, die oft so heillos ist, viele Achtjährige wie Kayzen gibt: die mitfühlen und nicht lockerlassen, um anderen zu helfen.

Es ist kein Zufall, dass Jesus Kinder mag. Am meisten vermutlich ihr Fühlen. Einmal bringen Menschen Kinder zu Jesus, erzählt die Bibel. Er soll sie anrühren und segnen. Einige Erwachsene wollen das nicht und versuchen, die Kinder fortzuschicken. Das macht Jesus unwillig. Er zeigt auf Kinder und sagt zu den Erwachsenen: „Dieses Kindern gehört das Reich Gottes!" Damit meint er, dass Kinder mit ihrem besonderen Fühlen ganz nah an der Liebe und der Barmherzigkeit Gottes sind.  


 

Würde unantastbar

Osterworte

 

Es gibt Sätze, die müssten auf jeder Plakatwand stehen; auch auf Litfaßsäulen. Vielleicht gelegentlich auch mal auf einer schmucklosen Hauswand. Ein solcher Satz ist: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So beginnt das deutsche Grundgesetz.  Heute, am 23. Mai, hat dieses Grundgesetz Geburtstag. Es wird 74 Jahre jung. Ein schönes Alter mit einem ewig jungen ersten Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde Deutschland von den alliierten Siegermächten behutsam und schrittweise in die staatliche Unabhängigkeit entlassen. Ein wichtiger und wertvoller Auftrag lautet dabei, für das Land eine neue, demokratische Verfassung zu schaffen. Das tat eine Gruppe von Frauen und Männer und schuf ein Gesetzeswerk, das am 23. Mai 1949 beschlossen und feierlich verabschiedet wurde.

Am Beginn des Grundgesetzes wird sofort festgelegt: Würde ist unantastbar. Sie ist wie eine kostbare Perle, die in uns liegt. Diese Würde gilt allen Menschen. Ohne Unterschied. Unter allen Umständen. Keine Macht dieser Welt darf sich daran vergreifen!

Diese Würde haben wir, weil wir als Menschen Ebenbilder Gottes sind, weiß die Bibel: „Was ist der Mensch, dass du, Gott, an ihn denkst? Wie wertvoll ist das Menschenkind, dass du dich um es kümmerst? Du schmückst den Menschen mit einer Krone, die ihm Herrlichkeit und Würde verleiht." (Psalm 8)

Würde haben Kinder, sobald sie auf die Welt kommen; und auch die Alten haben sie, wenn sie ihre Sinne und Kräfte verlieren. Würde haben Polizist*innen und Sanitäter*innen, die heute oft angepöbelt werden. Würde haben Täter*innen, auch wenn uns das manchmal nicht gefällt. Die Würde ist unantastbar, bei jedem Menschen, Gott sei Dank. Sie hängt von nichts ab. Man muss sie sich nicht verdienen, man kann sie nicht verlieren. Dieser Gedanke ist ein großes Glück, aber er ist niemals selbstverständlich.

Wie wertvoll dieser Grundsatz ist, sehen wir in Ländern, in denen es nicht so ist: wo die Würde des Menschen mit Füßen getreten wird und man kein Wort gegen die Regierung sagen darf, ohne dafür büßen zu müssen. Damit diejenigen, die die Würde von Menschen brechen, nicht das letzte Wort behalten, gehört dieser einen Satz auf viele Wänden und in allen Köpfen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Was soll das alles, Gott?

Osterworte

 

Manchmal mache ich das, sagt sie.
Manchmal frage ich einfach ins Blaue hinein:
Was soll das alles, Gott? Was willst du von mir?
Neulich zum Beispiel, erzählt sie:
Ich bin genervt. Das dritte Mal in der Woche
muss ich zum Arzt. Ohne Termin.
Das Wartezimmer ist übervoll.
Nicht ein freier Stuhl ist da.
Ich lehne mich an die Wand.
Das kann jetzt dauern, sagt die Helferin.
Ich mit dem Rücken zur Wand und entzündeten
Augen. Kann kaum richtig gucken.
Dann passiert es, sagt sie.
Eigentlich könnte ich heulen.
Will ich natürlich nicht im Wartezimmer.
Also atme ich lieber tief durch und frage mich still:
Was soll das alles, Gott?
Was willst du von mir diese Woche?

Was hat das denn mit Gott zu tun, frage ich verblüfft.
Alles, sagt sie. Oder nichts.
Ich muss doch immer wählen:
Wenn ich heulen könnte mit dem Rücken zur Wand,
hat Gott entweder damit zu tun - oder eben nicht.
Entweder gibt es Gott, dann handelt er auch
und schläft nicht.
Oder es gibt Gott nicht, dann ist alles Zufall.
Das überlege ich da so vor mich hin –
im Wartezimmer, mit dem Rücken zur Wand.
Dann wird endlich ein Stuhl frei.
Ich setze mich, schaue zu, höre auf Stimmen,
sehe Pflaster und Augenklappen.
Menschen mit Sorgen im Gesicht.
An der Reihe bin ich noch lange nicht.

Was soll das alles, Gott? Was hat es mit uns zu tun?
Ob die Frauen, die frühmorgens losgegangen sind, sich das fragen?
Es ist der zweite Morgen nach dem Grauen.
Zu dritt gehen sie zum Grab Jesu.
In ihren Händen tragen sie wohlriechende Öle.
Sie wollen den Leichnam salben.
Es ist ein letzter Liebesdienst.
Gerade geht die Sonne auf.
Kurz halten sie inne. Eines haben sie nicht bedacht:
Wer wälzt uns den Stein von der Tür des Grabes?
Doch dann gehen sie weiter, kommen zum Grab und stellen fest:
Der Stein ist weggewälzt.
Sie erschrecken, gehen trotzdem sie ins Grab hinein.
Und erschrecken dann noch mehr.
Dort sitzt eine fremde Gestalt. Leuchtend weiß.
Die sagt: Der, den ihr sucht, ist hier nicht mehr hier.
Sie rennen davon, mit Zittern und Entsetzen,
aber auch Freude im Herzen.
Irgendwann halten sie an, kommen zu Atem,
reden miteinander, wundern sich und fragen:
Was soll das alles bedeuten?
Wie kann das sein, dass wir auf diese ganz
neue Weise die Gegenwart Jesu erleben?
Unerklärlich, was da am Werk ist,
wenn das Leben neu ans Licht kommt.
Unerklärlich, wenn die Hoffnung ihre Stimme
wiederfindet und leise erzählen will:
Vom Ende der ohnmächtigen Sprachlosigkeit.
Von all den Aufständen gegen die Gewalt.
Vom Leben, das sich aus dem Tod erhebt.
Von den Frauen, die immer noch erschrocken
diesem Leben neu glauben wollen,
deren Erschrecken langsam der Freude weicht,
die sich auf den Weg zu den anderen machen,
die alles das erfahren müssen,
die auch wissen sollen, dass der Lebendige
von nun mit ihnen gehen wird.

Die biblischen Erzählungen vom ersten Ostermorgen
halten uns allen ein dichtes Knäuel von verwirrenden,
unwirklichen und doch wirklichen, existentiellen
und zwischen zwei Welten stehenden Erfahrungen
entgegen. All das lässt sich kaum entwirren.
Und ist doch verbunden durch eine Botschaft:
Dass Christus nicht im Tod geblieben ist;
dass das, was er sprach und wie er gelebt hat,
nicht verloren oder vergessen ist;
dass seine Gegenwart Zukunft eröffnet:
das soll in deinem Leben ankommen,
weil es mit dir zu tun hat,
für dich geschehen ist.

Weil Gott es will, beginnt das Leben neu.
Weil Gott es will, darf weiter möglich sein,
was Jesus gelebt und verkündigt hat:
dass wir sooft in uns selbstverkrümmte Menschen
dennoch liebenswerte Geschöpfe sind,
dass Armen Gerechtigkeit widerfährt,
dass Verfolgte und Bedrängte Zuflucht finden,
dass Böses mit Gutem überwunden wird,
dass wir Menschen lernen, miteinander
in versöhnter Verschiedenheit zu leben.
Wie sehr brauchen wir diese Bilder vom neuen
und gelingenden Leben in unseren Tagen.
Wir brauchen sie heute für morgen und übermorgen.
Ja, der Tod ist besiegt, aber Leid und Not
sind nicht verschwunden aus dieser Welt.
Wir werden darum weitersuchen müssen
nach dem, was uns Halt und Orientierung gibt
in dieser Welt mit all ihren Aporien und Absurditäten.
Wir werden uns fragen müssen, was wir tun können, d
amit Hass und Gewalt nicht das letzte Worte haben;
in der Ukraine nicht, im Nahen Osten und anderswo.
Wir werden das auch für uns ausprobieren müssen:
wie all das Offengebliebene und weiter Unerträgliche
hineinpasst in unsere Osterhoffnung.

Manchmal, sagt sie, da frage sie einfach drauflos:
Was soll das alles, Gott? Was willst du von mir?
Sie schweigt. Dann sagt sie:
Weißt du, manchmal gebe ich mir auch eine Antwort.
Im Wartezimmer zum Beispiel, auf meinem Stuhl,
mit dem Rücken an der Wand.
Da sitze ich und denke mir:
Vielleicht soll ich das alles hier sehen und fühlen.
Das Leid. Die Angst. Das Seufzen.
Vielleicht soll ich das alles bewusst wahrnehmen,
diesen traurigen Teil der Welt, in der es so viel
mehr an traurigen Ecken und Enden gibt.
Wo Menschen keine Zukunft sehen,
immerzu mit dem Rücken zur Wand stehen,
nicht nur eine Stunde wie ich in dieser Woche.

Weißt du, was ich glaube, sagt sie:
Gott gibt uns manchmal auch traurige Zeichen.
Er tut das, weil wir zum Glauben wache Sinne brauchen.
Damit wir nicht vergessen,
dass dieser Gott das Leben nicht preisgibt.
Niemals. Nicht eines.

Dazu ist Christus auferstanden.
Er ist wahrhaftig auferstanden.
Halleluja!


 

Zum Ostersonntag: Sonne

 

Ich tat die Augen auf und sah das Helle,
Mein Leid verklang wie ein gehauchtes Wort. –
Ein Meer von Licht drang flutend in die Zelle,
Das trug wie eine Welle mich hinfort.

Und Licht ergoss sich über jede Stelle,
Durchwachte Sorgen gingen leis zur Ruh. –
Ich tat die Augen auf und sah das Helle,
Nun schließ ich sie so bald nicht wieder zu.


Mascha Kaléko (1907-1975) aus: Sei klug und halte dich an Wunder


 

"Die Waffen nieder!"

Zum Ostermarsch 2023

 

Der Hass und die Bereitschaft zum Krieg und zur Feindbildproduktion
ist tief verwurzelt in der Menschheit,
gerade in Zeiten großer Krisen und existentieller Ängste.
Heute aber gilt: Wer die Welt wirklich retten will,
diesen kostbaren einzigartigen wunderbaren Planeten,
der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen.
Wir haben nur diese eine Zukunftsoption.


Aus dem letzten Essay von Antje Vollmer, Theologin, Grünen-Politikerin und bis zu ihrem Lebensende streitbare, überzeugte und diskussionsbereite Pazifistin.


 

Zum Karfreitag: Wenn die Welt schweigt

 

Man hat sie liebevoll die größte Sängerin ohne Stimme genannt:
die Schauspielerin Hildegard Knef.
Der Ausdruck meinte wohl, dass sie selbst
zwar keine besonders schöne Singstimme hatte,
dafür aber wunderbare Lieder singen konnte.
Vor über 20 Jahren ist Hildegard Knef
in Berlin gestorben. Bei ihrer Beerdigung regnete
es Rosenblätter in Erinnerung an ihr bekanntestes Lied
"Für mich soll’s rote Rosen regnen".
Viele Menschen nahmen damals Anteil.
Und mit dem Film Hilde hat man Hildegard Knef
auch ein großes cineastisches Denkmal gesetzt.

In einem alten Interview habe ich einige Sätze
von ihr gelesen, die die besondere Stimme
dieser außergewöhnlichen Frau erkennen lassen.
Sie sagt dort: "Die Welt ist geschwätzig und vorlaut,
solange es gut geht. Nur wenn jemand krank ist,
leidet oder stirbt, wird die Welt verlegen,
dann weiß sie nichts mehr zu sagen.
Genau an dem Punkt, wo die Welt schweigt,
richtet die Kirche eine Botschaft auf.
Ich liebe die Kirche um dieser Botschaft willen."

Das sind markante Worte, finde ich.
Sie sind wie gemacht für diesen Karfreitag,
der uns miteinander unters Kreuz stellt
und ins Schweigen führt.

Wer vom Palmsonntag her über den Gründonnerstag
bis hin zu diesem Morgen den Leidensweg Jesu
mitgeht, der folgt einem Weg, auf dem es Schritt
für Schritt leiser und einsamer wird.
Am Kreuz stirbt Jesus allein. Am Ende herrscht
Grabesstille bis zum Morgen des dritten Tages.

Wir alle kennen die Geschwätzigkeit der Welt.
Da sind eigentlich immer welche,
die wenn nicht alles so doch vieles besser wissen.
Oft sind wir selbst genauso: mit klarer Meinung
über andere, von denen wir schon wüssten,
was sie zu tun und besser zu lassen hätten.
Wir alle kennen auch das Andere:
die eigene Ratlosigkeit, das bleierne Schweigen,
wenn plötzlich Krisen da sind,
wenn Menschen aus der Bahn geworfen werden,
wenn uns das Leiden haut- und seelennah wird
bei Krankheit und im Tod.
Was willst du da schon sagen?

Andreas Berger hat dazu in der Braunschweiger
Zeitung einen treffenden Gedanken formuliert:
Die biblische Passionsgeschichte erzähle, so Jasper,
viel von Wahrheiten, die wir alle bis heute erleben, die zeigen,
wie man noch mitten im Sich-Gut-Fühlen schuldig wird,
sich schuldig fühlt für Unterlassungen, Angstverhalten, Bekenntnisarmut.
Am Ende harren die Mutter und der Freund
unterm Kreuz aus, Maria und Johannes.

Genau an diesem Punkt, an dem die Welt sich
abwendet und zu schweigen beginnt, liegt für mich
ein Schlüssel zu diesem Karfreitagsgeschehen.

Der Weg Jesu ans Kreuz erzählt davon,
wie schmerzhaft weit die Wege Gottes gehen,
davon, wie unbedingt diesem Gott daran
gelegen ist, dort gesucht und gefunden zu werden,
wo das Leben hart geprüft wird,
wo Wunder ausbleiben und alle Hoffnung wie begraben scheint.

Dort ist Gott zu finden, sagt der Karfreitag
und hält unseren Blick auf das Kreuz gerichtet:
Gerade dort ist Gott zu finden!
Das Leiden jedes einzelnen Menschen,
die Leiden dieser Welt teilt Gott.
Er spürt sie selbst durch seinen Sohn.

"Es gibt keinen Ort in der Welt,
auf den der Schatten des Kreuzes nicht fiele",
schreibt der Theologe Fulbert Steffensky.
Etwas davon fällt also auch auf uns.
Es will uns sensibel, ja dünnhäutig sein lassen
für die schmerzhaften Seiten des Lebens,
für die Spannung zwischen Tod und Leben,
für die stärkere Kraft der Liebe,
die uns Menschen von Gott zu Teil wird.

Die biblischen Passionserzählungen erzählen
vom großen Schmerz der Menschen unterm Kreuz,
aber sie erzählen auch davon, wie dieses Geschehen ihre Beziehungen neu ordnet,
Menschen in Verantwortung füreinander verbindet.
Und wer diesen Erzählungen dann weiter folgt -
vom Kreuz herüber zum Morgen des dritten Tages -,
der wird davon hören, wie aus dem Schatten
des Kreuzes neues Leben wächst,
wie die Liebe zurückkehrt und den Sieg behält.

Dass der Tod nicht das letzte Wort über uns behält:
diese Hoffnung erwächst aus dem Kreuz.
Sie nährt sich aus der Liebe Gottes zum Leben,
in dem das Leiden ernstgenommen und dennoch
im Licht der Auferweckung Jesu neu gedeutet wird.

"Die Welt ist geschwätzig und vorlaut,
solange es gut geht. Nur wenn jemand krank ist,
leidet oder stirbt, wird die Welt verlegen,
dann weiß sie nichts mehr zu sagen.
Genau an dem Punkt, wo die Welt schweigt,
richtet die Kirche eine Botschaft auf."
So hat es die größte Sängerin ohne Stimme gesagt.

Mitten im Schweigen des Karfreitags,
dort, wo die Welt den Atem anhält, weil es jetzt
zwischen Tod und Leben auf Messers Schneide steht,
dort ist diese Botschaft auch uns gesagt:
"So sehr hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen einzigen Sohn für sie hingab.
Jeder, der an ihn glaubt,
soll nicht verloren gehen,
sondern das ewige Leben haben."

Und der Frieden Gottes,
der höher ist als alle Vernunft,
der bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus, dem Gekreuzigten und Auferstanden.
Amen.


 

Verstoßene Oma

 

 „Verstoßene Oma“: Ich kannte diesen Ausdruck nicht, bis sie davon erzählt hat, wie es dazu kam: Sie wohnte mit Tochter, Schwiegersohn und Enkeln im gleichen Haus. Dann kriselte es in der Ehe ihrer Tochter. Da habe sie einen Fehler gemacht, sagt sie, sich eingemischt, Ratschläge gegeben. „Das hätte ich lassen müssen“, sagt sie heute. Hinterher sind wir oft klüger.

Als ihre Tochter dann auszog, bekam die Oma von der Enkelin einen Brief: „Liebe Oma, ich möchte nicht mehr mit dir reden und spielen. Lass mich bitte in Ruhe!“ Das sei wie ein Schlag gewesen, sagt sie. Zwei Jahre kein Wort, kein Gruß, kein Bild; Briefe wurde ungeöffnet zurückgeschickt. „Von da an war ich die verstoßene Oma.“

„Verstoßene Oma“ Das ist kein schöner Ausdruck, aber er ist ehrlich. Denn es gibt oft Verstoßene und Ausgeschlossene in unseren Beziehungen: Großeltern, Eltern, Enkel, Kinder und Geschwister, Freunde und Kollegen. Wir Menschen sind Beziehungswesen. Wir bleiben es auch dort, wo unser Miteinander wortlos wird, in tiefe Sackgassen gerät, aus denen es für uns allein kein Fortkommen gibt, weil es dazu immer auch die anderen braucht, die das nicht können oder wollen.

Auch die Bibel kennt diese Sackgassen-Momente, in denen das Leben festsitzt und allein nicht frei zu bekommen ist, weil dazu immer mindestens zwei gehören. „Aus der Tiefe rufe ich zu dir. Ich bin hier ganz verloren!“ So heißt es in einem Gesangbuchlied, das alte Bibelworte aus dem 130. Psalm aufnimmt. Ich höre das so: Dort, wo wir Menschen unser Leben nicht selbst hell oder heil bekommen, da bleibt Gott an unserer Seite und kann heilen, was wir selbst nicht heilen können.

Sie habe das tiefe Tal jetzt hinter sich, sagt sie. Ihr letzter Brief an die Enkeltochter kam nicht zurück, stattdessen klingelte das Telefon. Die Enkelin hat gefragt: „Wollen wir uns mal wieder sehen?“ Ja, hat sie gesagt, ganz leise am Telefon und dann später ganz laut vor sich hin in der Wohnung: Ja, natürlich, gerne! Nun ist sie, Gott sei Dank, keine verstoßene Oma mehr.


 

Gott im Wort

Predigtgedanken zum Sonntag Sexagesimae

 

"Es gibt keine Hilfe", sagte Großer-Tiger düster.
"Es gibt keine Hilfe", bestätigte Christian.
"Wie", rief Großer-Tiger, "du sagst auch,
es gibt keine Hilfe? Das darfst du nicht tun.
Du musst etwas anderes sagen."
"Es fällt mir nichts anderes ein."
"Es muss dir etwas anderes einfallen,"
rief Großer-Tiger flehend. "Es geht nicht,
dass wir beide mutlos sind."
"Dann müssen wir einen Vertrag machen",
sagte Christian: "Nur einer von uns darf
verzweifelt sein und ‚Es gibt keine Hilfe sagen‘."
"Das bin ich", sagte Großer-Tiger geschwind.
"So wäre es kein Vertrag", entgegnete Christian.
"Ein Vertrag ist anders. Sobald einer von uns
‚Es gibt keine Hilfe’ gesagt hat, muss der andere
von etwas Zuversichtlichem reden,
und dann ist es ein Vertrag, der gilt."
"So ist es mir recht", erklärte Großer-Tiger schnell.
"Und ich sage als Erster: ‚Es gibt keine Hilfe.‘"
Er schaute, was Christian für ein Gesicht machte,
und dann mussten die beiden Freunde lachen.

Der Schriftsteller Franz Mühlenweg erzählt diese Szene
in seinem Roman "In geheimer Mission durch die Wüste Gobi."
Als er seine Abenteuererzählung im Jahr 1950 veröffentlicht,
liegt der zweite Weltkrieg erst wenige Jahre zurück,
aber die Welt ist schon wieder dabei,
in kalte, ideologisch getrennte Blöcke zu zerfallen.

Franz Mühlenweg hatte als junger Mann
nach erstem Weltkrieg und Kriegsgefangenschaft
für die gerade gegründete Lufthansa Asien bereist.
Er hatte an Expeditionen durch China und die Mongolei teilgenommen
und dabei jene Geschichte einer wachsenden Freundschaft
zweier Heranwachsender erdacht:
von Christian und seinem Freund Großer-Tiger,
die in den chinesischen Bürgerkrieg geraten
und schließlich in geheimer Mission
durch die Wüste Gobi entsandt werden.
Seine vor allem jungen Leser folgten Mühlenweg
in eine fremde, von Nachkriegsdeutschland
meilenweit entfernte Welt, in der sich Menschen
mit der Frage Seid ihr fröhlich? begrüßten
und mit dem Wunsch Euer Weg sei Friede! verabschiedeten.

Was Franz Mühlenweg erzählt,
ist auch eine Geschichte für unser Heute:
von gegenseitigen Vertraut Machen,
von der Suche nach einer gemeinsamen Sprache,
von einer Mission, die ihr Ziel dort erreicht hat,
wo Menschen zueinander finden.

Noch einmal Franz Mühlenweg in eigenen Worten:
"Du und ich, wir beide waren verschiedenen Sinnes,
und was wir voneinander wussten, war von weit her.
Jetzt siehst du mich an,
und mein Denken ist dir offenbar;
und ich weiß, was du sagen willst,
ohne dass davon gesprochen werden muss."

Miteinander sprechen und einander zuhören,
sich interessieren und andere ermutigen:
Das ist so elementar für unser Zusammenleben.
Wir brauchen dieses aufeinander Horchen,
das uns die Möglichkeit gibt,
einander Herz und Seele zu öffnen,
auch Kummer, Zweifel und Fragen zu teilen.

Wie oft erleben wir das Gegenteil davon:
Wörter, die keine Begegnung eröffnen.
Sätze, die nicht ins Gespräch miteinander finden.
Begegnungen, die kalt und stumm bleiben,
weil Menschen es nicht für nötig erachten,
miteinander zu reden, keine Lust haben,
mit anderen ins Gespräch zu kommen.
Es ist das alte Spiel, dass einer sich abmüht,
dem andern etwas Wichtiges mitzuteilen,
aber der hört nicht hin.
Und vor lauter Nicht-Hinhören-Wollen
verpasst er dann das, was wirklich wichtig war.
Wie enttäuschend, wenn Worte nicht gehört werden.

Aber Gott hat uns Menschen anders gewollt,
widerpricht die Bibel diesen Gedanken:
Gott hat uns Menschen als Gegenüber geschaffen,
um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Vielleicht ist uns dieser Gedanke schon
so geläufig und selbstverständlich geworden,
dass wir gar nicht mehr darüber staunen können:
Dass für den Glauben Anfang und Grund aller Dinge
nicht eisige Stummheit ist, sondern das Wort Gottes.
Gott spricht und er ist ansprechbar.
Gott ist kein stummer Gigant.
Gott ist Mitteilung. Ein Gott im Wort,
das in unsere Herzen und Köpfe hineinwill
und von dort aus weiter in die Welt hinaus.

"Heute, wenn ihr seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht!"
So sagt es das Bibelwort aus dem Hebräerbrief für diesen Sonntag Sexagesmiae.
Die biblischen Texte, die wir gehört haben, verfolgen,
wenn ich recht sehe, vor allem ein Ziel:
Sie möchten unser Vertrauen in Gottes Wort stärken;
uns ermutigen, daran festzuhalten, auch dann,
wenn es schwerfällt und einen langen Atem braucht.
Einen Glauben ohne Durststrecken
und Wüstenzeiten kann es nicht geben.
Aber es kann mehr geben als kollektive Mutlosigkeit.

"Es geht nicht, dass wir beide mutlos sind.
Nur einer von uns darf verzweifelt sein.
Dann muss der andere von etwas
Zuversichtlichem reden."

Zuversicht kommt, so höre ich, dort in Sicht,
wo wir uns das Wort gönnen.
Fangen wir vielleicht damit an:
Wo hast du zuletzt ein Gespräch geführt,
das dich neu und anders über das Leben
hat nachdenken lassen?
Wann hat dich das letzte Mal
ein Wort so richtig umgerissen?
Und wenn du das schon lange nicht erlebt hast:
Kannst du es dennoch für möglich halten,
diesem Wort neu zu begegnen?

"Es geht nicht, dass wir beide mutlos sind.
Nur einer von uns darf verzweifelt sein.
Dann muss der andere von etwas
Zuversichtlichem reden."
Fangen wir damit an:
Gottes Wort steht niemals still,
es ist beständig in Bewegung zwischen Herz und Himmel.
Und wir alle, du und ich, sind mit unserem Leben
hineingenommen in den Kreislauf dieses Wortes;
und zwar so, wie unser Herz es gerade empfinden mag:
himmelhochjauchzend, unendlich dankbar,
voll Wut und Empörung, erschöpft oder traurig.

Gott ist wie einer, der sät. Gott sät beständig
in unser Leben hinein mit nur einem Ziel:
dass sein Wort uns dort erreicht und berührt,
wo wir ganz Menschen sind:
leergelaufen, übervoll, angestrengt, neugierig,
genervt von allem oder voller Erwartung.

Wir müssen nicht nur mutlos sein.
Wenn einer verzweifelt, sollen die anderen reden von Hoffnung Zuversicht.
Wer Ohren hat zu hören, der höre!


Predigt von Magni-Pastor Henning Böger im Braunschweiger Dom am zweiten Sonntag vor der Passionszeit, 12. Februar 2023.


 

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